So erleben Austausch-Studenten die Schweiz
3:01

Auslandsemester wird zum Flop
So erleben Austausch-Studenten die Schweiz

Keine Vorlesungen, keine Studentenpartys: Grosse Enttäuschung herrscht bei Austauschstudierenden, die nach Zürich gekommen sind. Aus der ganzen Welt sind sie hergereist, um jetzt im stillgelegten Zürich Online-Lesungen zu besuchen. BLICK hat bei ihnen nachgefragt.
Publiziert: 20.03.2020 um 19:51 Uhr
|
Aktualisiert: 20.03.2020 um 21:35 Uhr
Teilen
Anhören
Kommentieren
1/7
Das waren noch Zeiten: Zu Beginn ihres Austauschsemesters konnte die Türkin Ezgi Aksu (25) noch unbeschwert die Sonne an der Limmat geniessen.
Foto: zvg
Carla De-Vizzi

Es ist der Traum eines jeden Studenten: ein Auslandssemester. Fremde Kultur und Sprache, eine Menge neue Eindrücke, Freiheit pur. Diese Erwartungen hatten auch zahlreiche Austauschstudierende, die dieses Semester nach Zürich gekommen sind. Das Coronavirus machte ihnen jedoch einen Strich durch die Rechnung: Statt die Schweiz kennenzulernen, hocken sie jetzt abgeschottet in ihrem WG-Zimmer oder gar wieder im Flieger oder Zug nach Hause.

«Ich bin unheimlich enttäuscht», sagt die türkische Austauschstudentin Ezgi Aksu (25) zu BLICK. Sie hätte hier in Zürich bereits viele neue Freunde gefunden. Gemeinsam hatten sie schon einiges geplant: Diverse Trips nach Bern, Basel, Genf und ins Tessin. Die fallen nun alle ins Wasser. «Ich finde gar keine Worte dafür, um auszudrücken, wie traurig ich über die aktuelle Situation bin», sagt die aus Istanbul stammende Jus-Studentin.

Studentenresidenz ist halb leer

Seit ihrer Ankunft im Februar wohnt Ezgi in einer Studentenresidenz in Zürich. Rund 150 Leute leben dort, die meisten davon ebenfalls Austauschstudenten. «Das Gebäude ist jetzt halb leer. Die meisten Studierenden sind wegen des Coronavirus abgereist.»

In die Türkei zurückzukehren, sei für sie jedoch keine Option. «Da ich von einem stark betroffenen Land komme, müsste ich zu Hause erstmals 14 Tage in Quarantäne.»

Fünf Monate wurden zu sieben Wochen

Anders sieht es bei Linus Adolfsson (22) aus Örebro, Schweden, aus. «Ich musste Zürich leider bei einer Hauruck-Übung am Donnerstagabend verlassen. Es war sehr deprimierend, all meine Sachen zusammenzupacken.» Der Rechtswissenschafts-Student habe gerade noch den letzten Flug in sein Heimatland erwischt. Danach sei es ungewiss, wann man wieder nach Schweden fliegen könne.

«Meine Heimuniversität in Örebro hat mir empfohlen, umgehend nach Hause zu kommen, damit ich nicht in der Schweiz festsitze.» Dass sein Austauschsemester ein so abruptes Ende nehmen musste, enttäuscht den Schweden schwer. «Das Coronavirus hatte ein extrem schlechtes Timing.» Er sei gerade mal sieben Wochen hier gewesen. Eigentlich hätten es ganze fünf Monate sein sollen.

Italiener sorgt sich um Familie zu Hause

Eher besorgt um seine Familie als wütend auf das Coronavirus ist der Italiener Luca Alberti Archetti (25). Der Mathematikstudent stammt aus Brescia in der Lombardei. Seine Familie ist dementsprechend stark von den Folgen des grassierenden Virus betroffen. «Meine Tante wurde positiv getestet. Leider hat es keinen Platz mehr im Spital, weshalb ich mir grosse Sorgen mache.»

Zudem habe sich auch sein Mitbewohner hier in Zürich mit dem Virus infiziert. Deswegen setzt der Italiener seit bald drei Wochen keinen Fuss mehr vor seine Haustür. Archetti versucht die Situation aber positiv zu sehen: «Sobald das Ganze vorbei ist, kann ich wieder unbeschwert raus und die schönen Schweizer Berge erkunden.»

«Ich gehe erst, wenn ich dazu gezwungen werde»

Ebenfalls die Situation zu akzeptieren versucht auch Suinne Lee (21) aus Seoul, der Hauptstadt Südkoreas. «Zuerst dachte ich, dass der Lockdown mein Austauschsemester, das ich mir perfekt ausgemalt hatte, ruinieren würde. Doch jetzt denke ich, dass man die Diskrepanzen zwischen idealen Plänen und dem realen Leben akzeptieren müssen.»

Obwohl die Situation zurzeit schwierig sei, wird die Physikstudentin Zürich nicht so schnell verlassen. «Ich werde meinen Austausch erst abbrechen, wenn ich dazu gezwungen werde.»

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?