600-Einwohner-Ort Seelisberg soll 60 Männer aufnehmen
Aufstand gegen Flüchtlingsheim

Mitten im Dorf Seelisberg soll ein Asylheim entstehen. Erfahren haben es die knapp 650 Einwohner aus der Lokalzeitung.
Publiziert: 04.08.2016 um 12:03 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 04:31 Uhr
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Ins ehemalige Hotel Löwen (weisses Gebäude links) in Seelisberg ziehen die Asylbewerber ein.
Foto: Mischa Christen
Anian Heierli

Der Kanton Uri teilte den Entscheid in den Sommerferien mit: Seelisberg erhält ein Asylheim mitten im Dorfkern. Im ehemaligen Hotel Löwen will man ab September bis zu 60 Flüchtlinge einquartieren.

Der Standort grenzt an den Schulweg, an Gastro-Betriebe und die Bergbahn. Gegenüber dem Urner Wochenblatt bestätigte der Kanton, es handle sich dabei um  Einzelpersonen ohne Integrationserfahrung. Von offizieller Seite hiess es gestern aber: «Weitere Informationen folgen am Donnerstag an einer Info-Veranstaltung.»

60 junge Männer erwartet

Im Dorf spricht man nun von 60 jungen Männern, die bald kommen. Die Verunsicherung ist gross: Die Bürger kamen bislang nie zu Wort und haben ihre Informationen vorwiegend aus lokalen Medien.

Demzufolge wächst in der 650-Seelen-Gemeinde der Widerstand. Eine neu formierte Interessens-Gruppe kämpft für eine «vernünftige» Asyllösung: «Es befremdet, dass der Regierungsrat uns vor vollendete Tatsachen stellt», sagt Christoph Näpflin (51), Leiter der Treib-Seelisberg-Bahn AG.

Zusammen mit anderen Bürgern fordert er ein Gespräch am Runden Tisch: «Wir sind nicht gegen Asylbewerber», sagt er. «Eine Lösung muss aber tragbar für alle sein.» Ihm schweben alternative Optionen vor: Etwa einen Standort an der Peripherie oder das Unterbringen von Familien.

«Probleme garantiert»

«Seelisberg lebt vom sanften Tourismus», so der Bähnler. «Ein Asylheim mitten im Zentrum geht nicht – und wenn nur junge Männer kommen, sind Probleme garantiert.»

Von Angst wollen die beiden Mütter Angela Schori (43) und Isabelle Amstad (37) nicht sprechen: «Verunsichert und schockiert sind wir aber schon», sagen sie.

Den beiden Frauen ist vor allem die geplante Lage am Schulweg ein Dorn im Auge: «Wenn das Asylheim kommt, bringe ich meine Tochter mit dem Auto zum Unterricht», so Schori. Sie ist lieber vorsichtig: «Das ehemalige Hotel hat keinen Umschwung. Die Flüchtlinge wären zwangsläufig auf der Strasse, wo die Kinder durchgehen.»

Besorgt sind auch Esther Anderegg (61) und ihr Lebensgefährte Harald Hoffmann: «Bald werden in Seelisberg traumatisierte Menschen aus Kriegsgebieten einquartiert», so Hoffmann. «Das ist ein Risiko für uns und die Flütchlinge. Jüngst sah man in Deutschland, was passieren kann.» Seine Partnerin fügt hinzu: «Diese Leute brauchen eine professionelle Betreueung, die Seelisberg nicht bieten kann.»

Dem Kanton sind die Sorgen bekannt: «Wir nehmen die Ängste ernst», sagt Roland Hartmann, Sekretär der Gsundheitsdirektion zu BLICK. In Absprache mit dem Gemeinderat will man deshalb am Donnerstagabend die Einwohner aus erster Hand informieren – etwa über das Sicherheits- und Betreuungskonzept. 

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