Die Bewohner von Seelisberg sind stinksauer: In ihrem beschaulichen Dörfchen soll ein Asylbewerberheim für 60 Personen entstehen. Das Bergdorf ist nicht das erste, dem diese Vorstellung widerstrebt. Doch was wurde aus den anderen aufmüpfigen Dörfern?
Die Aarburger Anti-Asyl-Grillparty war umsonst
In Aarburg AG kam es 2014 zu heftigen Diskussionen mit der Bevölkerung, als bekannt wurde, dass der Ort ein weiteres 90-plätziges Asylzentrum erhält. Neben einer Anti-Asyl-Grillparty drohten die Bewohner mit Überwachungskameras und Bewegungsmeldern. Sogar T-Shirts mit Protestsprüchen wurden verkauft. (BLICK berichtete) Das Hauptargument: Aarburg hatte die Aufnahmequote bereits erfüllt – und nahm trotzdem noch Asylbewerber auf.
Heute gehören diese Sorgen der Vergangenheit an. «Es ist ein problemloser Betrieb», sagt Balz Bruder vom Departement Gesundheit und Soziales. «Die Leute haben rasch gemerkt, dass es funktioniert.»
«Ammler» bauen jetzt Brücken statt Transparente
Im Kanton St.Gallen kam es im Mai 2015 zum Tumult, als der Kanton informierte, dass das Kurhaus «Bergruh» in Amden zur Unterkunft von 120 Asylsuchenden umfunktioniert werden soll (BLICK berichtete). Die Dorfbewohner platzierten über 15 Transparente im Dorf mit Slogans wie «Asylzentrum nein» oder «Heile Welt ade».
Fast ein Jahr später zieht der Ort eine positive Bilanz. Probleme seien bisher keine aufgetreten, die Asylbewerber würden gar nicht wirklich wahrgenommen, sagt Ammler Vizepräsidenten Toni Jöhl (SVP) zum «Tagesanzeiger».
Sogar eine Arbeitsgruppe namens «Ammler Brugg» hat sich gebildet, die mit Sprachkursen, Ausflügen und anderen Projekten eine Brücke zwischen den Asylsuchenden und der Bevölkerung bauen will.
Zwei Jahre Laaxer Widerstand haben sich in Luft aufgelöst
In Laax GR griffen 2013 die Bewohner zu besonders drastischen Mitteln, um die Asylunterkunft verhindern: Gemeinde, Bergbahnen, ein Flimser Hotelier und mehrere Chalet-Besitzer taten sich zusammen und wollten das umfunktionierte Hotel kaufen – um so den Kanton auszustechen, der das Gebäude gemietet hatte. Über zwei Jahre lang hatte sich die Gemeinde gegen die Asylunterkunft gewehrt – und schlussendlich verloren. (BLICK berichtete)
«Der Zwist mit den Gemeinden hat sich gelegt», sagt der Bündner Abteilungsleiter für Asyl und Rückkehr Georg Carl. «Der Widerstand war nur so lange, bis die Leute dort waren. Wir haben heute überhaupt keine Probleme mit dem Zentrum in Laax.»
Auch bei der Eröffnung von drei weiteren Bündner Asylunterkünften habe die Bevölkerung ähnliche Ängste geäussert. «Das geschieht halt oft in Regionen, die noch nicht direkt mit der Thematik konfrontiert wurden», sagt Carl.
Bettwil hat sein Ziel erreicht
Auch das 500-Seelen-Dorf Bettwil AG rebellierte 2011 gegen die Aufnahme von 140 Asylbewerbern. Gemeindeammann Wolfgang Schibler erhielt eine anonyme Morddrohung, die Aargauer Gesundheitsdirektorin Susanne Hochuli wurde nach einer Infoveranstaltung von einer Traktorblockade überrascht. Die Rebellion Bettwil wurde dementsprechend national als «Bauernaufstand» bekannt.
Mit Erfolg: Der Bund liess die umstrittenen Pläne fallen. Wegen der Proteste – aber auch, weil ein langes und beschwerliches Baugesuchsverfahren in Aussicht stand.
Widerstand ist nachvollziehbar – aber zwecklos
Für Marcel Suter, Präsident der Vereinigung der Kantonalen Migrationsbehörden sind die Bedenken von Gemeinden bei der Diskussion um Asylunterkünfte nachvollziehbar. Patentlösungen gebe es aber nicht. Am besten wirke, wenn sich die Bevölkerung von einem reibungslosen Betrieb eines Asylzentrums selber ein Bild machen könne, etwa an einem Tag der offenen Tür oder anhand von Beispielen aus anderen Gemeinden.
Die Kantone verfolgen unterschiedliche Strategien, wie sie zu Asylunterkünften kommen – Widerstand ist meist zwecklos. Die meisten Kantone suchen zuerst den Dialog mit den Gemeinden. Zeigen sich diese uneinsichtig, sind die Konsequenzen je nach Kanton unterschiedlich.
Die Strategie: Quoten oder Kollektivzentren
Kantone wie Zürich, Aargau und Luzern zwingen Gemeinden feste Quoten von Asylbewerbern auf. Die Gemeinden müssen für die Unterbringung selber schauen. Im Gegensatz dazu kennen etwa die Kantone Graubünden oder Waadt grundsätzlich keine individuellen Unterbringungen, sondern bringen Asylsuchende in kantonalen Kollektivzentren unter.
Weigert sich eine Gemeinde, die Aufnahmequote zu erfüllen, können sie beispielsweise im Aargau oder in Luzern gebüsst werden, wenn sie vorläufig aufgenommene Personen nicht aufnehmen, obwohl sie es gemäss Verteilschlüssel müssten.
Bundesgericht gab den Kantonen Recht
Schlussentscheide werden aber nicht zwingend im Einvernehmen mit den Gemeinden gefällt, wie beispielsweise der Streit im Bündnerischen Laax gezeigt hat. Dort hielten die Kantone trotz des erbitterten Widerstands der Gemeinden an den Plänen zur Eröffnung eines Asylzentrums fest - und erhielten schliesslich vom Bundesgericht Recht. (SDA/kra)