Beim Auto werden die Männer zu Putzteufeln
Schweizer Volkssport Nummer 1

Putzen ist nicht beliebt – ausser beim Auto. Ob in Spreitenbach AG oder in der Nobelanlage in Zürich: An Wochenenden wie diesem wird eifrig geseift und geschrubbt.
Publiziert: 28.05.2017 um 12:24 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 13:50 Uhr
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Bruno Donadei (53) aus Meilen ZH hatte sich das Porsche-Cabriolet zum 40. Geburtstag geschenkt.
Foto: Mirko Ries
Aline Wüst (Text), Mirko Ries (Fotos)

Autowaschanlagen stehen an dicht befahrenen Strassen landauf, landab. Unauffällig bieten sie, was schwer zu bekommen ist: das schnelle Glücksgefühl. Wer das Saubere-Auto-Gefühl während dieser heissen Tage will, braucht allerdings Geduld.

Spreitenbach AG, Selbstwaschboxen Soft Car Wash

Marius Ruckelshausen (24) aus Killwangen-Spreitenbach steht im Wasch-Stau. Nicht dass es ihn stören würde: Ruckelshausen hat frei, die Sonne scheint, seine Scheiben sind runtergedreht. Er freut sich auf sein sauberes Auto – es wird seinen Tag perfekt machen. Dafür wartet er gern.

Eine der Waschboxen wird frei, Ruckelshausen fährt seinen getunten VW mit dreiteiligen Porsche-Felgen und diversen Teilen aus Echtkarbon hinein, holt am Automaten für fünf Franken fünf Jetons. Er wählt das Programm und beginnt seinen VW abzuspritzen. Ruckelshausen ist oft hier. Denn die Waschanlage ist für ihn mehr als nur ein Ort zum Autoputzen. «Es ist ein Treffpunkt zum Fachsimpeln», sagt er.

Neben dem Streifen Wiese, der die Waschanlage von der Strasse trennt, isst eine Mutter eine Glace. Sie warten, bis der erwachsene Sohn das Auto gewaschen hat.

Zürich, Premium-Waschstrasse Autop Tiefenbrunnen

Von der Zürcher Goldküste her rollen teure Autos in die Nobelwaschstrasse. Gerade wird ein Rolls-Royce eingeseift. Ein Autop-Mitarbeiter öffnet dem Fahrer die Türe, der tritt durch eine sich automatisch öffnende Glaspforte in den Kundenbereich. Nass machen muss sich hier kein Kunde. Das übernehmen Mitarbeiter und Maschinen. Statt die eingetrockneten Insekten wegzuschrubben, trinkt der Kunde hier kostenlos Kaffee oder beisst in eine Brezel. Kinder bekommen Haribo, Hunde Frolic. Senat Miftari (25) aus Küsnacht ZH kommt mit einem Kollegen, beide rollen im eigenen BMW vor. Einmal pro Woche waschen sie ihr Auto. Diesmal nehmen sie Autowachs – «der ist wie Bodylotion fürs Auto», erklärt der Autop-Mitarbeiter. Miftari trinkt einen Kaffee, während sein Auto eine Portion Bodylotion verpasst bekommt. Er freut sich auf den sauberen BMW, vor allem darauf, dass es wieder so richtig glänzt. «Ist mein Auto dreckig, fühlt sich das an, als ob ich selber geschwitzt habe und stinke.»

Husky Aika stinkt wirklich. Deshalb ist Besitzerin Julia Spring (33) aus Bülach ZH mit ihr hergefahren. Denn die Premium-Waschanlage bietet nicht nur Auto- und Schuhputzen an, sondern eben auch Hundeputzen. Bloss mag Aika das nicht und schüttelt sich immer wieder. Währenddessen rollt wieder ein Tesla aus der Waschstrasse. Vorne verschluckt die Anlage alle 45 Sekunden ein neues Auto. Es bildet sich eine Kolonne. Soeben verschwindet der BMW von Alican Alkan (32). Er ist erst zum zweiten Mal hier. Er hat Freude. Noch mehr Freude hat er allerdings, wenn er sein Auto von Hand waschen kann.

Spreitenbach, Selbstwaschboxen Soft Car Wash

Putzt Armin Begic, ist immer alles Handarbeit. Früher war er einmal pro Woche in der Waschanlage. Nun hat er ein Kind und muss seine Frau fragen, ob er putzen gehen darf. Er darf einmal pro Monat. Beim Autoputzen könne er abschalten, sagt er und zieht weisse Handschuhe an, um ein Pflegemittel für die Pneus aufzutragen – «Reifenglanz wetlook» heisst es.

Ist es zum Bluffen, das Auto? Er selber fahre keine Runden, damit alle sein Auto sehen können, sagt Begic. Er fahre von der Waschanlage immer direkt nach Hause. Und er putze auch zu Hause gern. Seine Frau auch. Da zeige sich doch: «Wir passen zusammen.» Die Waschanlage in Spreitenbach ist eine der meist frequentierten der 25 Anlagen von Soft Car Wash in der Schweiz und ein beliebter Treffpunkt. Um 22 Uhr ist aber fertig, eine Zeitschaltuhr dreht das Wasser ab. Hinter der Waschanlage leuchtet dann das Ikea-Logo.

Zürich, Premium-Waschstrasse Autop Tiefenbrunnen

Hinter der Zürcher Anlage glitzert der See. Während der letzten Tage rollten bis zu 800 Autos täglich durch die Waschstrasse. An Regentagen sind es manchmal nur 20. Abdul Sawedeg (28) aus Zumikon ZH steigt aus seinem Bent­ley aus. Er trägt Trainerhose und Turnschuhe. Sawedeg kommt aus Libyen, lebt in Dubai und weilt gerade bei seiner Familie in Zumikon. Der Bentley gehöre ­einem Freund. Im Schritttempo geht Sawedeg mit dem Bentley durch die Waschstrasse. Nur das Glas trennt die beiden. Zuschauen, wie das Auto gewaschen wird, tun auch Väter mit Söhnen und sonnenbebrillte Frauen mit Hündchen.

Spreitenbach, Selbstwaschboxen Soft Car Wash

Asmira Begic (26) macht in Birkenstockschuhen und mit Kinderwagen einen Ausflug zur Autowaschanlage. Sie schaut ihrem Mann Armin Begic zu, wie er das Auto poliert. Nach ­einer Weile holt sie ihm an der Tankstelle ein isotonisches Getränk. Sie weiss genau: Das wird jetzt noch eine Weile dauern.

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