Kinder- und Jugendpsychiater warnt vor den Folgen des Cannabis-Konsums
«Selbstverständlich ist Kiffen gefährlich»

Oliver Bilke-Hentsch behandelt in Winterthur jugendliche Kiffer mit psychischen Störungen. Sorgen bereiten ihm allerdings nicht durchs Kiffen ausgelöste Psychosen. Ihn beunruhigen junge Menschen, die wegen ihres Cannabis-Konsums den Einstieg ins Berufsleben verpassen.
Publiziert: 03.03.2019 um 00:05 Uhr
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Aktualisiert: 04.03.2019 um 09:23 Uhr
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Kinder- und Jugendpsychiater Oliver Bilke-Hentsch leitet die Klinik Somosa in Winterthur, wo junge Kiffer mit psychischen Störungen therapiert werden.
Interview: Aline Wüst

Ist Kiffen gefährlich?
Oliver Bilke-Hentsch: Selbstverständlich!

Inwiefern?
Kiffen ist gefährlich, genauso wie Autofahren gefährlich ist. Als ­Gesellschaft müssen wir darum versuchen, das Risiko für die Schwächeren durch Regulierungen einzugrenzen.

Schweizer Jugendliche konsumieren im internationalen Vergleich überdurchschnittlich viel Cannabis. Warum ist Kiffen so beliebt?
Der Konsum von Cannabis hat verschiedene Wirkungen. Auf der körperlichen Ebene entspannt es, auf der sozialen fallen die Hemmungen. Wird es in der Gruppe konsumiert, sind alle lustig und entspannt. Es ist wie Fasnacht. Aber jederzeit verfügbar.

Wann wird es problematisch?
Cannabis ist eine Substanz, die dem Leben die Ernsthaftigkeit nimmt, und zwar extrem schnell. Es führt zu einer Um­bewertung der Situation – der Möglichkeit, für einen Moment von dieser schnelllebigen Gesellschaft zu pausieren, ohne ganz auszusteigen, wie das mit Drogen wie Heroin oder Crystal Meth der Fall wäre. Man wird so für eine Weile Zaungast im eigenen Leben. Problematisch wird es, wenn man nur noch Zaungast sein will.

Sie behandeln junge Kiffer, bei denen das passiert ist. Gibt es einen typischen Verlauf?
Die meisten dieser Jugendlichen haben schon im Alter von zwölf Jahren zu kiffen begonnen. Sie stellten fest, dass es sich gut in ­ihren Alltag integrieren und den Druck besser aushalten lässt. Kurzfristig fühlten sie sich besser. Irgendwann kam eine nächste Phase, in der die Motivation und Konzentration nachgelassen hat. Sie zogen sich zurück, wurden immer antriebsloser und ängstlicher, vernachlässigten die Körperhygiene und vegetierten vor sich hin. Wichtig sind dann Leute im Umfeld, die erkennen, dass es nicht ein vorübergehender Zustand ist, sondern ein Zeichen für echte Abhängigkeit oder sogar der Beginn einer Psychose.

Der Zusammenhang zwischen Kiffen und Psychosen ist umstritten. Wie sehen Sie das?
Kiffen wirkt wie ein Auslöser. Sind gewisse Risikofaktoren vorhanden, kann der Konsum von Cannabis der Faktor sein, der das System kippen lässt.

Heisst das auch: Mehr Jugendliche würden psychotisch, wenn Kiffen legal wäre?
Ja, das wäre so. Aber wieder: Je mehr Leute Auto fahren, desto mehr Unfälle gibt es.

Sie sehen darin nicht das Hauptproblem. Was macht 
Ihnen Sorgen?
Im Alter zwischen 15 und 18 Jahren sind Menschen am experimentierfreudigsten, was Drogen angeht. Zugleich müssen Jugendliche in dieser Zeit den Übergang in die Berufswelt schaffen. Wer dann zu viel kifft und antriebslos wird, kann deswegen den Einstieg ins Berufsleben verpassen. Das kann Auswirkungen aufs ganze Leben haben.

Die Prävention muss also
besonders auf diese 
Altersgruppe fokussieren?
Absolut. In dieser Zeit des Lebens sind Menschen, die Cannabis konsumieren, am gefährdetsten.

Was ist Ihr Lösungsansatz?
Es braucht staatlich unterstützte Forschung und einen liberalisierten und regulierten Markt. Für mich als Kinder- und Jugendpsychiater ist es wichtig, dass wir in 
einem ersten Schritt lieber zu viel regulieren – zum Schutz der 
Jugendlichen.

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