Seit Freitag dürfen höchstens Kleingruppen von fünf Personen draussen zusammen sein. Was glauben Sie: Werden sich die Leute an die neue Verordnung halten?
Stefan Blättler*: Ich hoffe es. Wir stellen fest, dass sich der Grossteil der Bevölkerung an die Vorgaben des Bundesrats hält. Dennoch gibt es auch die anderen – diese gilt es nun ebenfalls zu erreichen. Letztlich ist es auch eine Frage des gesunden Menschenverstandes. In dieser Situation ist man nicht nur für das eigene Handeln verantwortlich, sondern auch für die Konsequenzen, die dieses für andere hat.
Wie oft haben Sie diese Woche die Menschen darauf hingewiesen, dass sie in zu grossen Gruppen unterwegs sind?
Zu oft, in meinen Augen. Quer durch die Schweiz mussten wir feststellen, dass Personen das Social Distancing nicht umsetzten: Sie sassen gemeinsam in Pärken, verweilten in grossen Gruppen an den Seepromenanden und hielten auch sonst kaum Abstand. Noch einmal: Ich glaube, die Mehrheit hält sich an die Vorgaben. Aber wir brauchen die gesamte Bevölkerung, um die Ausbreitung des Virus zu einzudämmen. Mein Aufruf: Bleiben Sie wenn immer möglich zu Hause.
Allerdings ist in der Bevölkerung auch die Unsicherheit gross. Viele fragen sich, was noch erlaubt ist: Darf man noch picknicken? Fussball spielen? Oder mit dem Kollegen draussen ein Bier trinken?
Auch wir stellen in unserer täglichen Arbeit fest, dass Unsicherheiten da sind. Wo immer möglich, versuchen wir, Fragen zu klären. Die Frage ist aber nicht, was noch erlaubt ist – sondern, was noch nötig ist. Ohne Verzicht geht es zurzeit einfach nicht. Ein Spaziergang, der nötige Einkauf – all dies ist ja weiterhin möglich.
Wie hat sich das Verhalten der Leute im Laufe der Woche verändert? Halten sich die Leute jetzt eher daran, nur alleine oder zu zweit unterwegs zu sein?
Der Unterschied zu letztem Samstag ist markant: Das Leben hat sich definitiv verlangsamt. Ob die neuen Massnahmen des Bundes Wirkung zeigen und wir nun auch die bisher fast Unbelehrbaren erreichen, werden wir erst noch sehen. Wichtig erscheint mir auch, dass man nicht umgehend wieder in den gewohnten Modus verfällt.
Die Polizei greift nicht nur bei Erwachsenen ein, sondern schickt auch spielende Kinder nach Hause. Das sorgt bei einigen Eltern für Unverständnis.
Das kann je nach Situation vorkommen, und die Reaktion ist verständlich. Aber ich appelliere auch an die Eltern, hier ihre besondere Verantwortung wahrzunehmen. Unsere Polizistinnen und Polizisten führen unzählige Gespräche; uns ist bewusst, dass aktuell viele Freiheiten eingeschränkt werden. Aber nur so können wir die Risikogruppen schützen. Und vergessen wir nicht, wir reden hier von einer begrenzten Zeit.
Was hat es für Folgen, wenn sich jemand nicht an die offiziellen Anordnungen hält?
Es droht eine Busse von 100 Franken. Jugendliche bis zum 15. Lebensjahr werden zur Anzeige gebracht.
In Bern oder Zürich sind Plätze geschlossen worden, weil sich Jugendliche dort getroffen haben. Braucht es eine schweizweite Schliessung von Parks und Spielplätzen?
Ich denke, das müssen die Städte und Gemeinden je nach Lage vor Ort entscheiden.
Ist die Polizei darauf vorbereitet, auch Ausgangssperren durchzusetzen?
Wir stützen uns auf das, was gilt. Der Bundesrat hat entschieden, und nun setzen wir diese Massnahmen gemeinsam um. Den Bürgerinnen und Bürgern ist klar, was auf dem Spiel steht. Es geht aber nicht darum, etwas militärisch durchzusetzen. Auch bei schärferen Massnahmen müssen wir an den gesunden Menschenverstand und an die Einsicht in der Bevölkerung appellieren. Ich bin überzeugt, dass wir dies schaffen.
Die Polizei selber kann das Social Distancing kaum einhalten, weil die Mitarbeiter jeweils zu zweit unterwegs sind. Wie stellen Sie sicher, dass es bei der Polizei nicht zu flächendeckenden Ausfällen kommt?
Solche Gedanken beschäftigen mich stark, natürlich macht mir auch die Gesundheit meiner Mitarbeitenden grosse Sorgen. Im Alltag müssen sich auch die Polizistinnen und Polizisten – so gut es geht – an die Verordnung, Verhaltensregeln und Hygienemassnahmen halten. Wir versuchen unter anderem, Kontakte untereinander auf das nötige Minimum zu reduzieren und die Abstandsregelung wenn immer möglich einzuhalten.
*Stefan Blättler ist Kommandant der Kantonspolizei Bern und Präsident der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten.
Das Interview wurde schriftlich geführt.