Bürgerliche halten es für «überflüssig» und «wenig effizient»
LGBTI-Diskriminierungsverbot hat einen schweren Stand

Homosexuelle, Bisexuelle, Trans- und Intersexmenschen (LGBTI) sollen durch eine Gesetzesänderung vor Diskriminierung geschützt werden. Ein grosser Teil der bürgerlichen Parteien ist aber entschieden dagegen.
Publiziert: 09.10.2017 um 11:47 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 12:05 Uhr
Die nationalrätliche Rechtskommission hat jetzt eine Gesetzesanpassung erarbeitet, die Homosexuelle, Bisexuelle, Trans- und Intersexmenschen besser vor Diskriminierung schützen soll.
Foto: zVg

Die nationalrätliche Rechtskommission hat eine Gesetzesanpassung erarbeitet, die Homosexuelle, Bisexuelle, Trans- und Intersexmenschen (LGBTI) per Gesetzesänderung in der Rassismusstrafnorm besser vor Diskriminierung schützen soll.

Sie sieht vor, die Rassismusstrafnorm mit den Kriterien der «sexuellen Orientierung» und der «Geschlechtsidentität» zu ergänzen. Jedoch ist ein grosser Teil der bürgerlichen Parteien entschieden gegen diese Gesetzesanpassung.

FDP hält Ausweitung der Rassismusstrafnorm für «wenig effizient»

Vergehen dagegen sollen mit einer bis zu dreijährigen Freiheitsstrafe oder Geldstrafe geahndet werden. Damit geht der Vorentwurf weiter als die parlamentarische Initiative des Walliser SP-Nationalrats Mathias Reynard - diese hatte das Kriterium der «Geschlechtsidentität» noch aussen vor gelassen. Die Vernehmlassung dazu ging heute Montag zu Ende.

Für FDP und SVP gehen die Vorschläge zu weit. Sie sei zwar gegen jede Form der Diskriminierung, hält die FDP in ihrer Stellungnahme fest. Allerdings sei eine Ausweitung der Rassismusstrafnorm auf die zwei neuen Kriterien nur wenig effizient.

Das Strafgesetzbuch biete bereits ausreichenden Schutz für Menschen, die in der Ehre verletzt oder physisch attackiert worden seien. In den Augen der FDP haben Richterinnen und Richter schon heute bei der Urteilsfindung genügend Ermessensspielraum, um die Motive eines Täters stärker oder schwächer gewichten zu können.

SVP findet Diskriminierungsverbot auf Gesetzesstufe überflüssig

Auch die SVP ist gegen die Ausweitung. Eine nochmalige Verankerung der «sexuellen Orientierung» und der «Geschlechtsidentität» im Diskriminierungsverbot auf Gesetzesstufe sei überflüssig, findet sie.

In der herrschenden Lehre und Rechtsprechung zu Diskriminierungen würden diese beiden Merkmale bereits durch die Kriterien «Lebensform» und «Geschlecht» umfasst. In den Augen der SVP würde es schlicht ausufern, «jede als Nicht-Mehrheit erkannte Gruppe» noch eigens im Gesetz zu schützen.

Ganz anders sieht dies die CVP. Es komme immer wieder zu Übergriffen auf LGBTI-Menschen, weshalb es jetzt an der Zeit sei, deren Schutz explizit im Gesetz festzuhalten, sagte Nationalrat Karl Vogler (CSP/OW) auf Anfrage der Nachrichtenagentur. Er sitzt ebenfalls in der Kommission.

SP verlangt, «Geschlechtsmerkmal» in neue Strafnorm aufzunehmen

Auch die Grünen begrüssen den Vorentwurf. Die Partei sei eine Vorreiterin bei gesellschaftlichen Fragen und habe die parlamentarische Initiative von Beginn an unterstützt, schreiben die Grünen.

Noch einen Schritt weiter gehen will die SP. Um auch Intersex-Menschen vor diffamierendem Verhalten zu schützen, verlangt sie, auch das Kriterium «Geschlechtsmerkmal» in die neue Strafnorm aufzunehmen. Es gelte, eine Lücke im strafrechtlichen Schutz zu schliessen, schreibt die SP.

Auch der Dachverband der Schwulen, Pink Cross, hält das zusätzliche Kriterium «Geschlechtsmerkmal» für angebracht. Darüber hinaus sei er mit den Vorschlägen der Kommission «sehr einverstanden», so der stellvertretende Geschäftsführer Roman Heggli.

Klarheit für den «juristischen Laien»

Das Transgender Network Schweiz sieht einen «hohen rechtsstaatlichen Bedarf», um die Diskriminierung von und die Gewalt gegen Transmenschen zu bekämpfen. Es begrüsst deshalb die vorgeschlagene Revision. Die nationale Organisation führt jährlich etwa 900 Beratungen durch.

Unterstützung für strafrechtlichen Schutz von diskriminierten Gruppen kommt auch von der Schweizerischen Staatsanwälte-Konferenz (SSK), wie sie auf Anfrage mitteilte. Allerdings warnt sie zugleich davor, dass die «Kommunikation von Einzelpersonen» mit der neuen Regelung einer allzu strengen Kontrolle unterworfen werden könnte.

Sie fordert deshalb Klarheit für den «juristischen Laien», weil Äusserungen bei einem Stammtisch oder während einer Zugfahrt nicht von der Rechtsnorm umfasst werden. Öffentliche und nicht-öffentliche Handlungen müssten demnach klar definiert sein, so die SSK. Sie weist zudem darauf hin, dass neue Strafbestimmungen immer zu Mehraufwand und zu Mehrkosten für die Strafverfolgungsbehörden führen.

Andere Länder haben bereits LGBTI-Gesetzgebungen

Verschiedene europäische Länder kennen laut Bericht der Rechtskommission bereits Strafbestimmungen gegen Aufrufe zu Hass, Gewalt oder Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung.

In Österreich werden Personen vom Gesetz geschützt, die wegen ihrer sexuellen Orientierung diskriminiert worden sind. In Frankreich sind darüber hinaus auch Diskriminierungen aufgrund der Geschlechtsidentität unter Strafe gestellt. Ähnliche Gesetzgebungen haben auch Dänemark und die Niederlande. (SDA/rad)

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