Auch in Alltagssituationen wird gegrapscht
So fühlt man sich als Frau, wenn man belästigt wird

Von Fremden begrapscht zu werden, passiert nicht nur im Ausgang. Belästigungen finden auch im Alltag statt. Frauen schweigen, wehren sich nicht. Denn in der Realität ist das nicht so einfach. Eine BLICK-Redaktorin erzählt.
Publiziert: 15.08.2018 um 08:27 Uhr
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Aktualisiert: 01.10.2018 um 03:50 Uhr
So reagiert man richtig auf eine Grapsch-Attacke
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Tipps bei Belästigung:So reagiert man richtig auf eine Grapsch-Attacke

Es passierte, als ich mit dem Bus vom Training nach Hause fuhr. Ich war 18 Jahre alt, trug schwarze, kurze Sporthosen, sass am Fenster, hörte Musik. Er setzte sich neben mich, obwohl der ganze Bus leer war. Er drückte sein Bein an meines. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Ist ja normal, im engen Bus.

Fünf Stationen. Er begann, sein Bein an meinem zu reiben. Ich rückte näher ans Fenster. Er rückte nach, legte nun auch seine Hand auf meinen nackten Oberschenkel. Er massierte mein Bein. Mein Magen zog sich zusammen. Ich traute mich nicht, ihm in die Augen zu schauen. Welches Gesicht zu dieser verschrumpelten Hand gehört – das wollte ich gar nicht wissen.

Vier Stationen. Eigentlich habe ich schon als Kind gelernt, dass Fremde kein Recht haben, mich einfach so anzufassen. Und auch, wie ich mich wehren muss: «Schrei um Hilfe, tritt ihm zwischen die Beine.» Es wäre ja ganz einfach. Doch in der Situation sind die Grenzen verschwommen. Ich zweifelte: «Du überreagierst. Er tut dir ja nicht weh.»

Lieber Angst ertragen, als eine Szene machen

Drei Stationen. Er schob seine Hand unter meine Sporthosen. Mir wurde schlecht. Ich hatte Angst, fragte mich, wie weit er noch gehen würde. Und trotzdem dachte ich: «Es bist einfach du, die das schlimm findet. Mit dir stimmt etwas nicht.» Es waren Gedanken, die im Nachhinein nicht nachvollziehbar sind. Im Moment lähmten sie mich. Ich war feige: Lieber wollte ich dieses flaue Gefühl und die Angst ertragen, als eine Szene zu machen. Ist doch leichter.

Zwei Stationen. Er zupfte an meiner Unterwäsche. Niemand hat etwas gemerkt. Dann nahm er seine Hand weg, stieg aus. Ich habe sein Gesicht nicht gesehen.

Eine Station. Erst jetzt wurde mir klar, was da eigentlich passiert war. Ich wurde wütend. Nicht auf ihn, weil er mich begrapscht hatte – sondern auf mich. Ich machte mir Vorwürfe, fühlte mich dreckig. Wie konnte ich einfach still da sitzen, ohne ihn zu stoppen? Klar, es war nicht meine Schuld. Trotzdem fühlte ich mich schuldig. Schuldig – für das, was ich eben nicht getan habe: mich zu wehren. Ob ich es beim nächsten Mal könnte? Um ehrlich zu sein, ich weiss es nicht. Der Mann im Bus war ja auch nicht der Erste.

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