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Rechtsexperte zum Tessiner «Leichen-Raub»
«Unerklärlich, warum die Ehefrau nicht verständigt wurde»

Der Fall von Petra R.* (54) aus Moghegno TI wirft viele Fragen auf. Wie kann es sein, dass die Ehefrau nicht über den Tod ihres Mannes informiert wurde und die Leiche Verwandten gegeben wurde? Der Professor für Privatrecht, Peter Breitschmid, erklärt die Rechtslage.
Publiziert: 19.01.2020 um 23:45 Uhr
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Aktualisiert: 29.01.2020 um 22:49 Uhr
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Der emeritierte Rechtswissenschaftler Peter Breitschmid (66) hatte einen Lehrstuhl für Privatrecht mit Schwerpunkt ZGB an der Universität Zürich.
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Myrte Müller

BLICK: Welche Angehörigen muss das Spital über den Tod des Patienten informieren?
Peter Breitschmid:
Typischerweise erfragt das Spital beim Eintritt des Patienten, wer zu informieren sei. Bei nicht ansprechbaren Patienten muss eine Umfeldermittlung erfolgen, die (z. B. bei Unfall) auch durch die Polizei vorgespurt wird. Wird im Todesfall ein naher Angehöriger kontaktiert, obliegt es ihm nach der Treue- und Beistandspflicht, die Information familienintern weiterzuleiten.

Wer kann über die Bestattung entscheiden?
In erster Linie wäre es die in einer Patientenverfügung bezeichnete Person oder der Beistand mit einem Vertretungsrecht bei medizinischen Massnahmen. Normalerweise ist es der Ehegatte, der regelmässig und persönlich Beistand leistet, der über die Bestattung entscheiden kann. Weshalb aber statt der Ehegattin im Fall von Petra R. Geschwister zum Entscheid beigezogen wurden, ist für mich ohne weitere Kenntnis zum Sachverhalt unerklärlich.

Ist die Entfernung eines Leichnams durch andere Angehörige ohne Einwilligung des Ehegatten eine Straftat?
Es gibt den Straftatbestand der Störung des Totenfriedens. Wer den Leichnam oder die Asche unberechtigt wegnimmt, kann mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Busse bestraft werden. Nur ist wahrscheinlich die Tatbeständlichkeit fraglich, wenn Behörden den Leichnam zur Bestattung freigegeben haben.

Gibt es die Möglichkeit für Ehegatten, die von ihnen nicht genehmigte Bestattung zu verhindern und den Toten oder dessen Urne zurückzuführen?
Das für die Bestattung zuständige Amt würde in einem solchen Fall ohne Zweifel eine Verfügung erlassen, welche die Bestattung einstweilen aufschiebt, bis die Berechtigung geklärt ist.

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