«Mein Umfeld hat das ignoriert»
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Von Ex-Mann bedroht:«Mein Umfeld hat das ignoriert»

Polizistin Karin H. (57) erlebte Männer-Gewalt am eigenen Leib
«Behörden handeln erst, wenn es zu spät ist»

Nirgendwo sind Frauen so gefährdet wie in den eigenen vier Wänden. Polizistin Karin H. (57) erhielt von ihrem Mann Morddrohungen, nachdem sie ihn verlassen hatte. Seine Dienstwaffe musste er nicht abgeben. Trotz Anzeige.
Publiziert: 30.07.2019 um 23:25 Uhr
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Als sich Karin H. von ihrem Mann trennte, drohte er ihr: «Ich bring dich um.»
Foto: Stefan Bohrer
Helena Schmid

Als er sie zum ersten Mal bedrohte, winkte Karin H.* (57) noch ab. «Ich bring dich um», das sind doch nur leere Worte, redete sie sich ein. Doch er tat es wieder. Wurde konkreter. Er sagte: «Vielleicht engagiere ich jemanden, der es für mich tut.» Die Angst wuchs. Bis sie Karin H.s Alltag bestimmte.

Er bedrohte sie mit dem Tod, weil sie ihn verlassen hatte. Alle 15 Tage tötet ein Mann in der Schweiz seine Partnerin. Dem Mord gehen häufig Drohungen und Stalking voraus. Das Gesetz schützt Betroffene kaum. Verbale Drohungen sind schwer nachzuweisen. Polizistin Karin H. klagt an: «Behörden handeln erst, wenn es zu spät ist.»

«Ein Schalter kippte in seinem Kopf»

Die Baslerin lernt ihren Mann auf der Polizeischule kennen. Nach der Geburt ihres ersten Kindes konzentriert sie sich aufs Muttersein, ihr Ehemann sich auf seine Karriere. Zwischen den beiden kriselt es: «Er liess mich mit Haushalt und Kindern häufig allein, wollte immer alles bestimmen.»

Die Mutter fühlt sich überfordert. Eingeengt. Nach 20 Jahren Ehe trennt sie sich. 2007 zieht sie vom Haus der Familie in Baselland in eine Einzimmerwohnung in der Nachbargemeinde. Bei einem Treffen Monate später eskaliert ein Streit um den Unterhalt der gemeinsamen Kinder: «Da ist ein Schalter in seinem Kopf gekippt. Damals drohte er mir zum ersten Mal, mich zu töten.»

Freunde sagten, sie übertreibe

Das Beunruhigende: Als Polizist hat ihr Ehemann eine Waffe zu Hause. «So hätte er mich einfach töten können – und nachdem er mir mehrmals gedroht hatte, bekam ich Panik», sagt sie.

Von nun an wagt sie sich abends nur noch selten aus dem Haus. «Ich befürchtete, er könnte mir auflauern. Dieses mulmige Gefühl folgte mir überallhin», so H.

Unterstützung erfährt die Mutter nicht. Sie habe einen Knall, übertreibe masslos, bekam Karin H. von ihrem Umfeld zu hören. «Niemand wollte glauben, dass er zu so etwas fähig war. Doch ich hatte das Gefühl, ich kenne ihn gar nicht mehr», sagt sie.

«Ich wurde nicht geschützt!»

Schliesslich erstattet sie Anzeige wegen Drohung. Ihr Mann wird wegen der verbalen Äusserungen zu einer Busse verurteilt. Doch seine Dienstwaffe behält er – auch während des Verfahrens. Karin H. ist fassungslos: «Ich wurde nicht geschützt!»

Dann brach er den Kontakt zu ihr plötzlich ab. Die Angst habe sie dennoch lange nicht abschütteln können. «Es dauerte Jahre, bis ich wieder durchatmen konnte.»

Nach der Scheidung zieht Karin H. ans andere Ende des Kantons. Ein Neustart. «Die Erinnerungen kamen nur hoch, wenn ich in meinem Job mit Gewalt gegen Frauen konfrontiert war», sagt sie. Vor kurzem gab sie ihren Job als Polizistin auf. Die Mutter appelliert: «Egal, ob Behörde oder Einzelperson – wenn ihr jemals eine Morddrohung mitbekommt, nehmt sie ernst.»

* Name geändert

Wie können sich Bedrohte schützen?

Etwa alle zwei Wochen wird in der Schweiz eine Frau von ihrem Partner getötet. Nirgendwo sind Frauen so sehr mit Gewalt konfrontiert wie im häuslichen Bereich. Anna-Béatrice Schmaltz (27) von der feministischen Friedensorganisation CFD erklärt, wie man sich schützen kann.

BLICK: Gibt es Anzeichen dafür, dass es in einer Beziehung zu Gewalt kommen könnte?
Anna-Béatrice Schmaltz: Ja. Häusliche Gewalt bis hin zum Mord baut sich in der Regel auf. Teilweise beginnt es mit Kontrollsucht. Der Mann möchte immerzu wissen, wo sich seine Frau aufhält und mit wem sie zusammen ist. Das ist bereits alarmierend. Richtig schlimm wird es aber, wenn der Mann ein «Stopp» nicht mehr akzeptiert.

Wie sollte die Frau dann reagieren?
Das Wichtigste ist, dass sie sich jemandem anvertrauen kann. Bestenfalls wendet sie sich an eine Beratungsstelle, die auf häusliche Gewalt spezialisiert ist. Die Fachpersonen dort wissen, wie man mit solchen Situationen umgehen muss und welche Massnahmen zu treffen sind.

Ab wann lohnt es sich, zur Polizei zu gehen?
Grundsätzlich kann die Polizei immer Rat geben. Reagieren kann sie aber erst dann, wenn eine Straftat vorliegt wie beispielsweise eine Drohung. Sollte die Polizei nicht reagieren können, dürfen sich Betroffene aber nicht unterkriegen lassen – und bei einer Fachstelle Unterstützung holen.

Etwa alle zwei Wochen wird in der Schweiz eine Frau von ihrem Partner getötet. Nirgendwo sind Frauen so sehr mit Gewalt konfrontiert wie im häuslichen Bereich. Anna-Béatrice Schmaltz (27) von der feministischen Friedensorganisation CFD erklärt, wie man sich schützen kann.

BLICK: Gibt es Anzeichen dafür, dass es in einer Beziehung zu Gewalt kommen könnte?
Anna-Béatrice Schmaltz: Ja. Häusliche Gewalt bis hin zum Mord baut sich in der Regel auf. Teilweise beginnt es mit Kontrollsucht. Der Mann möchte immerzu wissen, wo sich seine Frau aufhält und mit wem sie zusammen ist. Das ist bereits alarmierend. Richtig schlimm wird es aber, wenn der Mann ein «Stopp» nicht mehr akzeptiert.

Wie sollte die Frau dann reagieren?
Das Wichtigste ist, dass sie sich jemandem anvertrauen kann. Bestenfalls wendet sie sich an eine Beratungsstelle, die auf häusliche Gewalt spezialisiert ist. Die Fachpersonen dort wissen, wie man mit solchen Situationen umgehen muss und welche Massnahmen zu treffen sind.

Ab wann lohnt es sich, zur Polizei zu gehen?
Grundsätzlich kann die Polizei immer Rat geben. Reagieren kann sie aber erst dann, wenn eine Straftat vorliegt wie beispielsweise eine Drohung. Sollte die Polizei nicht reagieren können, dürfen sich Betroffene aber nicht unterkriegen lassen – und bei einer Fachstelle Unterstützung holen.

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