Am Sonntag gibt das Stimmvolk seine Meinung zur «Stopp-Zersiedelung»-Initiative der Jungen Grünen ab. Sie will das Angebot von Bauzonen deckeln – Gemeinden und Städte, die Bauland neu einzonen möchten, müssten künftig für die Auszonung einer Landfläche von gleicher Grösse und Qualität sorgen.
Weil keine zweite eidgenössische Vorlage an die Urne kommt, rechnete bereits im Vorfeld niemand mit einer grossen Stimmenbeteiligung. Die BLICK-Umfrage bei den Stimm- und Wahlbüros der grösseren Städte zeigt nun: Die Werte bewegen sich drei Tage vor der Abstimmung teils auf sehr tiefem Niveau. Sie liegen meist unter den Werten, wo sich stark mobilisierende Volksvorlagen wie etwa SVP-Initiativen jeweils eine Woche vor dem Urnengang befinden.
Auffällig ist dieses Mal auch, dass bislang nicht einmal kantonale Abstimmungen Stimmbürger in grossem Stil bewegten, ihre Stimmcouverts einzureichen.
Weit weg vom Rekord: 15 Prozent Stimmbeteiligung in Locarno
Das krasseste Beispiel ist die Stadt Locarno. Bis gestern Donnerstag schafften es nur 1431 von 9669 Couverts – also rund 15 Prozent – in die Stadtkanzlei an der Piazza Grande. Auch die Stadt Bellinzona meldet eine tiefe Stimmbeteiligung: rund 17 Prozent.
Dieses Desinteresse erstaunt umso mehr, als die Tessiner am Sonntag zugleich über vier kantonale Vorlagen entscheiden. Alle Änderungen in der Tessiner Verfassung sollen die politischen Rechte der Tessiner ausweiten oder an die eidgenössischen Bestimmungen anpassen. Kein Thema offensichtlich, das sie hinter dem Ofen hervorlockt – genauso wenig die Zersiedelungs-Initiative der Grünen.
Mit kantonalen Vorlagen sind es um die 30 Prozent
In anderen Städten, wo ebenfalls kantonale Abstimmungen anstehen, sieht es bei der Stimmbeteiligung besser, aber auch nicht rosig aus. Im links-grünen Zürich, wo Verdichtung und Hochbauten bei Bodenknappheit üblich sind, hat bis heute Freitag knapp ein Drittel der Stimmberechtigten seine Meinung abgegeben. «Der aktuelle Stimmcouvert-Eingang – wir dürfen die Couverts ja nicht öffnen – beträgt in der Stadt Zürich 30,2 Prozent», sagt die Informationsbeauftragte des Stadtrats Christina Stücheli.
Die Beteiligung dürfte aber noch steigen, zumal im Kanton Zürich ein neues Wassergesetz und die Abschaffung der obligatorischen Hundekurse für rote Köpfe sorgen.
Ähnlich ist das Bild in den anderen Grossstädten, wo kantonale Abstimmungen mobilisieren. So gaben in Basel bis gestern 34,4 Prozent der Bürger ihre Stimme ab. Hier sorgen die Umsetzung der Steuervorlage 17 sowie die Fusion der Kantonsspitäler in Basel-Stadt und im Baselbiet für viel Gesprächsstoff.
In Bern haben bis und mit gestern knapp 30 Prozent der Stimmberechtigten ihre Stimme brieflich abgegeben. Ein Polizeigesetz und die Änderung des kantonalen Energiegesetzes, die beide im Kantonsparlament satte Mehrheiten fanden, sorgen auch hier für keinen Sturm auf die Abstimmungsurnen.
Im Kanton Genf, wo neben der Zersiedelungsinitiative drei weitere Vorlagen zur Abstimmung kommen, ist das Bild etwas besser: 34,2 Prozent beträgt die aktuelle Beteiligung. Das Interesse der Genfer weckt ein neues Gesetz zur Trennung von Staat und Kirche das Interesse der Stimmbürger. Die geplante Verfassungsänderung verbietet Beamten und Mandatsträgern das Tragen religiöser Symbole, so etwa die Verschleierung des Gesichts.
Exakt 30 Prozent beträgt die Stimmbeteiligung in St. Gallen. Hier befinden die Stimmberechtigten noch über eine kantonale IT-Bildungsoffensive für 75 Millionen Franken.
Luzern rechnet mit höchstens 44 Prozent
In anderen Städten ohne kantonale Vorlagen ist es ruhiger. So lautete die Standesmeldung für die Stimmbeteiligung der Stadt Luzern am Donnerstag tiefe 27 Prozent.
Bis Sonntag liegt jedoch noch einiges drin, und so können die Jungen Grünen hoffen, dass die gesamte Stimmbeteiligung bis Sonntag ansteigt. «Wir rechnen mit einer definitiven Stimmbeteiligung von 43 bis 44 Prozent», gibt sich Evelyne Gassmann vom Büro für Wahlen und Abstimmungen der Stadt Luzern zuversichtlich.