Staubekämpfung sorgt für rote Köpfe
Was taugt der Plan des Bundesrats?

Der Streit um sechsspurige Autobahnen ist entfacht: Der Bundesrat plant in einem Zukunftsszenario den landesweiten Ausbau. Der Präsident der Alpeninitiative, Jon Pult, tobt. Doch was hilft sonst gegen Staus? Unter anderem das Befahren der Pannenstreifen.
Publiziert: 07.01.2019 um 20:08 Uhr
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Aktualisiert: 07.01.2019 um 21:47 Uhr
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Knapp 1500 Kilometer lang ist das Autobahnnetz in der Schweiz, gerade einmal 97 Kilometer davon sind sechsspurig: Drohnenaufnahme des Autobahn-Dreiecks Zürich- West. In der Mitte das Portal des Uetlibergtunnels.
Foto: Keystone
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Lea HartmannRedaktorin Politik

Knapp 1500 Kilometer lang ist das Autobahnnetz in der Schweiz, gerade einmal 97 Kilometer davon sind sechsspurig. Gehts nach dem Bundesrat, wird dieser Anteil in Zukunft massiv steigen. Konkret: Zwischen den grossen Städten soll das Nationalstrassennetz «konsequent auf mindestens 2 mal 3 Spuren» ausgebaut werden.

So sieht das «langfristige Zukunftsbild» aus, das der Bundesrat in der Botschaft zum Ausbauschritt 2019 zeichnet und das die «NZZ am Sonntag» gestern publik machte. Die Regierung hat die Botschaft im Herbst zuhanden des Parlaments verabschiedet.

Der Bundesrat plant also bereits den Grossausbau. Und das, noch bevor andere Massnahmen, die die bestehenden Kapazitäten besser nutzen, überhaupt vollständig umgesetzt, geschweige denn ausgewertet sind.

Pannenstreifen wird zur Fahrbahn

Eine Massnahme, die die ehemalige Verkehrsministerin Doris Leuthard (55) 2012 vorgestellt hat, war die Umnutzung von Pannenstreifen als zusätzliche Fahrspur. Auf der A1 in der Waadt war dies im Rahmen eines Pilotprojekts getestet worden. Resultat: weniger Stau, weniger Schadstoffausstoss, weniger Unfälle.

Jetzt sollen die Pannenstreifen auf 14 Teilstrecken umgenutzt werden. Im Kanton Waadt darf man bereits dieses Jahr zu Stosszeiten teilweise auf den Pannenstreifen ausweichen. In anderen Regionen dauert es noch bis 2030 oder länger.

Tempo 80 gegen Stau

Ein weiteres Rezept gegen Stau: Tempodrosselung! Statt der Höchstgeschwindigkeit sind auf Teilstrecken – je nach Verkehrssituation – 100 oder 80 km/h erlaubt. Langsam fahrende Autos brauchen weniger Sicherheitsabstand, mehr Autos haben Platz, und es kommt zu weniger Unfällen.

Auf insgesamt rund 400 Autobahn-Kilometern sind heute Anlagen im Einsatz, die automatisch eine tiefere Höchstgeschwindigkeit signalisieren, wenn der Verkehr zu kollabieren droht. Bis in etwa fünf Jahren will das Bundesamt für Strassen (Astra) 800 Autobahnkilometer so signalisieren.

Mobility Pricing in der Diskussion

Eine weitere Massnahme, die das Astra derzeit prüft, ist die Verlängerung von Ein- und Ausfahrten auf Autobahnen. Zudem steht auch das umstrittene Mobility Pricing, also eine Gebühr für eine konkrete Nutzung, seit einiger Zeit zur Diskussion. Auch hier steht der Bund noch ganz am Anfang: Geplant ist derzeit ein Pilotprojekt in Zug.

Trotzdem: Laut Astra-Sprecher Thomas Rohrbach reichen all die Massnahmen nicht aus, um Stau zu verhindern – vor allem angesichts der stetig steigenden Zahl der Fahrzeuge auf den Strassen. «Mit Verkehrsmanagement-Massnahmen kann man den Verkehr nicht überall flüssig halten», sagt er. Rohrbach betont ausserdem die unterschiedlichen Zeithorizonte der Massnahmen. «Es braucht beides», sagt er, «Ausbau am richtigen Ort zum richtigen Zeitpunkt als langfristige Massnahme und Verkehrsmanagement-Massnahmen als relativ kurzfristige Lösungen.»

Blick nach Italien spricht gegen Autobahnausbau

Ob der Pläne des Astra und des Bundesrates nur den Kopf schütteln kann Jon Pult, Präsident der Alpeninitiative, welche die Verlagerung des Schwerverkehrs auf die Schiene propagiert: «Die Vorstellung, dass breitere Strassen das Verkehrsproblem lösen, ist total veraltet. Unser System würde irgendwann kollabieren, wir haben den Platz schlicht nicht», sagt der Bündner. Zudem sehe man in Italien, dass sechsspurige Autobahnen dem Personenverkehr nicht helfen.

«Dort fahren hauptsächlich Lastwagen auf den zusätzlichen Spuren, die Leute hocken trotzdem im Stau. Diese Pläne des Bundesrats torpedieren unsere Verlagerungspolitik auf die Schiene und sind das Gegenteil des Volkswillens», so Pult.

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