Gemeinsam spielen, toben, essen und singen: Über 30 Kinder wuseln jeden Tag durch die Zimmer der Kita Matahari, einer Kindertagesstätte mit zwei Standorten in der Stadt Bern. In zwei Wochen jedoch bleiben die Türen der beiden Kitas verriegelt. Es ist Kampftag: Frauenstreik.
«Wir streiken», bestätigt Geschäftsführerin Darina Hürlimann (39) gegenüber BLICK. Und zwar das ganze Team von insgesamt 18 Frauen und drei Männern. Den ganzen Tag.
«Von absolutem Verständnis bis völligem Unverständnis»
Die Eltern hat Hürlimann vor gut drei Wochen informiert, damit sie rechtzeitig die Betreuung der Kinder organisieren können. Die Reaktionen seien völlig unterschiedlich gewesen. «Von absolutem Verständnis und Unterstützung bis zu völligem Unverständnis», ergänzt die Chefin der privat geführten Institutionen.
Matahari ist nicht die einzige Kita, die am 14. Juni dichtmacht. Christine Flitner (61), verantwortlich für die Bereiche Gleichstellung und Bildung bei der Gewerkschaft VPOD, weiss bereits von «mehreren Dutzend» Kindertagesstätten, in denen die Mitarbeiterinnen streiken werden. «Es werden täglich mehr», sagt sie. Die meisten streiken zwar nicht den ganzen Tag, schliessen aber bereits am Mittag oder um 15.30 Uhr – nach vier Fünfteln der üblichen Arbeitszeit, weil Frauen im Schnitt rund 20 Prozent weniger verdienen als Männer.
Unterbewerteter Beruf?
Die Gewerkschaft fordert die Kinderbetreuerinnen explizit auf, die Arbeit niederzulegen. Dafür hat der Verband extra Musterbriefe vorbereitet, welche Kitas den betroffenen Eltern schicken können. «Wir bitten Sie, eventuelle Unannehmlichkeiten zu entschuldigen», heisst es darin. Und: «Wir laden Sie ein, die Aktion zu unterstützen und wenn möglich daran teilzunehmen.»
Gerade Kita-Mitarbeiterinnen hätten allen Grund zu streiken, sagt Gewerkschafterin Flitner. «Sie sind äusserst wichtig für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Trotzdem ist der Beruf nach wie vor unterbewertet.»
Das sieht auch Darina Hürlimann von der Kita Matahari so: Am Morgen werde sie deshalb teamintern die zentralen Forderungen des Frauenstreiks diskutieren. «Es ist mir wichtig, vor allem auch unsere jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu sensibilisieren», sagt sie. Danach nehme man aktiv am Programm, den Aktionen und Demos teil. «Dass durch die Teilnahme am Streik einige Mütter in Not geraten und somit auch Grossmütter einspringen müssen, zeigt, dass wir jetzt ein Zeichen setzen müssen.»
Die Gewerkschaft VPOD findet derweil, dass sich nicht die Grosseltern, sondern die Väter um den Nachwuchs kümmern müssen. Dieser Wunsch sei in den Briefen der streikenden Kitas an die Eltern ausdrücklich geäussert worden. «Schliesslich soll es nicht sein, dass der Kita-Streik dazu führt, dass Frauen nicht streiken können», sagt Flitner. Für Notfälle würden die Kitas einen «Minimalservice» organisieren. «Wir wollen die Eltern nicht im Stich lassen.»
Geld zurück? Fehlanzeige!
Viele Kitas befürchten aber, dass genau dieser Eindruck entstehen könnte – und entscheiden sich deshalb gegen eine Teilnahme am Streik. «Am besten können wir diese Bewegung unterstützen, wenn wir die Kinder hüten. So können sich die Mütter dem Streik anschliessen», sagt etwa Frédéric Chave, Direktor der Westschweizer Sektion der Kita Pop und Poppa, zur «Tribune de Genève».
Kein Verständnis für die streikenden Kinderbetreuerinnen zeigt auch Kita-Inhaberin und SVP-Nationalrätin Nadja Pieren (39): «Ich finde es gegenüber den Eltern, also unseren Kunden, nicht fair, wenn sie wegen einer Demo gezwungen werden, zu Hause zu bleiben.» Vor allem in einer Kita mit vielen Kindern aus sozial schlechter gestellten Familien könne eine zusätzliche Betreuung auch ein finanzielles Problem sein, gibt sie zu bedenken.
Das Kita-Geld für den ausgefallenen Tag erstattet die Kita Matahari den Eltern im Übrigen nicht zurück. Hürlimann: «Es ist wie bei einer Fluggesellschaft. Wenn diese streikt, gibts auch kein Geld zurück oder einen Gratisflug mit einer anderen Airline.»
Auch an vielen Schulen und in Kindergärten wird am 14. Juni gestreikt. Eltern müssen sich deswegen aber keine Sorgen machen. «Es ist klar, dass die Schule für die Kinder stattfindet und deren Betreuung vollumfänglich gewährleistet sein muss», sagt Franziska Peterhans (60) vom Lehrerverband Schweiz. Lehrerinnen, die am Streik teilnehmen wollen, müssen je nach Kanton oder Schule entweder Lektionen abtauschen, die Fehlstunden kompensieren oder für den Tag Ferien beziehen.
Im Kanton Zürich beispielsweise ist geplant, dass in einzelnen Schulhäusern die Arbeit bereits vormittags um 11 Uhr niedergelegt wird. «Solidarische Kolleginnen oder Kollegen übernehmen dann die Klassen, damit die Kindergarten-Lehrpersonen streiken können», sagt Ursina Zindel (39), Präsidentin des Zürcher Kindergarten-Verbandes.
Während der Frauenstreik für die Lehrerinnen eine zusätzliche Organisation bedeutet, können sich Schüler freuen: Mehrere Kantone, darunter Bern und Waadt, haben die Schulleitungen aufgefordert, am 14. Juni keine Prüfungen durchzuführen. Lea Hartmann
Auch an vielen Schulen und in Kindergärten wird am 14. Juni gestreikt. Eltern müssen sich deswegen aber keine Sorgen machen. «Es ist klar, dass die Schule für die Kinder stattfindet und deren Betreuung vollumfänglich gewährleistet sein muss», sagt Franziska Peterhans (60) vom Lehrerverband Schweiz. Lehrerinnen, die am Streik teilnehmen wollen, müssen je nach Kanton oder Schule entweder Lektionen abtauschen, die Fehlstunden kompensieren oder für den Tag Ferien beziehen.
Im Kanton Zürich beispielsweise ist geplant, dass in einzelnen Schulhäusern die Arbeit bereits vormittags um 11 Uhr niedergelegt wird. «Solidarische Kolleginnen oder Kollegen übernehmen dann die Klassen, damit die Kindergarten-Lehrpersonen streiken können», sagt Ursina Zindel (39), Präsidentin des Zürcher Kindergarten-Verbandes.
Während der Frauenstreik für die Lehrerinnen eine zusätzliche Organisation bedeutet, können sich Schüler freuen: Mehrere Kantone, darunter Bern und Waadt, haben die Schulleitungen aufgefordert, am 14. Juni keine Prüfungen durchzuführen. Lea Hartmann