Grünen-Fraktionschef Balthasar Glättli kritisiert EU
«Das ist keine menschliche Asypolitik!»

In Brüssel haben die Staats- und Regierungschefs der EU um einen Kompromiss in der Flüchtlingsfrage gerungen. Für die Schweizerische Flüchtlingshilfe sind die beschlossenen Massnahmen inhuman. Und auch Grünen-Fraktionspräsident Balthasar Glättli kritisiert die Beschlüsse scharf.
Publiziert: 30.06.2018 um 11:53 Uhr
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Aktualisiert: 17.10.2018 um 16:38 Uhr
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Balthasar Glättli kritisiert die EU-Asylpolitik scharf. Sie sei unmenschlich, sagt der Fraktionschef der Grünen.
Foto: Keystone
Lea Hartmann

Es war ein Gipfel der Kompromisse, ein Gipfel der vagen Absichtserklärungen statt bindender Beschlüsse. Doch auf etwas konnten sich die Staats- und Regierungschefs der EU am Flüchtlingsgipfel diese Woche in Brüssel einigen: Die europäische Asylpolitik soll deutlich verschärft werden. So wollen die EU-Staaten unter anderem den Grenzschutz weiter verstärken und in der EU, aber auch in Nordafrika Sammellager für Bootsflüchtlinge einrichten.

Menschenrechts- und Flüchtlingsorganisationen kritisieren die Beschlüsse scharf – so auch die Schweizer Flüchtlingshilfe. Die EU entziehe sich mit der «Verschärfung der bisherigen europäischen Abschottungspolitik» jeglicher Verantwortung, sagt Peter Meier, Leiter Asylpolitik bei der Flüchtlingshilfe. «Der Kerngedanke jeder Flüchtlingspolitik ist völlig aufgegeben worden: dass es um verletzliche Menschen geht, die auf der Flucht Schutz brauchen und ein Anrecht auf diesen Schutz haben.» Schutzbedürftige Menschen in Afrika und Europa in Sammellager zu internieren sei «inhuman und verstösst gegen geltendes Recht», sagt Meier. Niemand dürfe eingesperrt werden, nur weil er Asylsuchender ist.

Foto: Blick Grafik

Petition für sichere Fluchtwege eingereicht

Die EU-Asylpolitik betrifft die Schweiz nicht nur wegen ihrer geografischen Lage. Das Schweizer Grenzwachtkorps schickt seit 2011 Beamte an die EU-Aussengrenzen, wo sie für die EU-Grenzschutzagentur Frontex im Einsatz stehen. Zudem ist die Schweiz Teil des Dublin-Abkommen, das die Verantwortlichkeiten für die Bearbeitung von Asylgesuchen in Europa regelt. Änderungen am Dublin-System muss die Schweiz übernehmen.

Meier fordert Europa auf, «seine humanitäre Verantwortung» wahrzunehmen. Aber auch der Bundesrat müsse das tun. Die Flüchtlingshilfe fordert die Regierung dazu auf, die Kontingente für Schutzbedürftige auf 10'000 Personen pro Jahr zu erhöhen. Zudem brauche es sichere und legale Fluchtwege in die Schweiz. Eine entsprechende Petition haben die Flüchtlingshilfe und die Hilfsorganisation Heks diese Woche dem Bund übergeben.

«Abschottung wird höher gewichtet als Respekt vor Menschenrechten»

Auch für Grünen-Fraktionspräsident Balthasar Glättli gibt der Ausgang des EU-Flüchtlingsgipfels Anlass zu Besorgnis. «Er würde treffender EU-Festungsgipfel heissen», meint er. «Abschottung und Flüchtlingsabwehr wird höher gewichtet wird als der Respekt der Menschenrechte. Damit entlarvt sich die Rede von den ‹europäischen Werten› als hohle Phrase.» Die Grünen würden bedauern, dass es keine angemessene Verteilung der Verantwortung auf alle EU-Staaten gebe. Zudem kritisieren sie den Entscheid, Flüchtlingslager in der EU und Nordafrika einzurichten und den Grenzschutz auszubauen. «Das ist keine vernünftige und menschliche Asylpolitik», sagt Glättli.

Bundesrätin Simonetta Sommaruga versucht derweil, die positiven Punkte des Gipfels hervorzuheben. Sie begrüsst, dass sich die EU-Staaten weiterhin zu Solidarität bekennen. Positiv sei zudem, dass sich die Staaten verpflichten, sich weiterhin ans internationale Recht und damit auch an die Genfer Flüchtlingskonvention zu halten, sagt sie der Nachrichtenagentur SDA. Sommaruga warnt aber auch: Die Aufnahme von Menschen, die an Leib und Leben bedroht sind, gehöre zu den Grundwerten Europas. «Die Schweiz werde sich dafür einsetzen, dass daran nicht gerüttelt wird.» Denn der verstärkte Schutz der Aussengrenzen dürfe nicht dazu führen, «dass Grenzen für Flüchtlinge geschlossen werden».

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