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Experte warnt vor Ausbau der Autobahnen
«Ein monumentaler Fehler»

Über sechsspurige Autobahnen ist ein Streit entbrannt. Der Bundesrat plant in einem Zukunftsszenario den landesweiten Ausbau. Der Präsident der Alpeninitiative, Jon Pult, tobt. Und der Professor für Verkehrsführung warnt vor «einem monumentalen Fehler.»
Publiziert: 08.01.2019 um 10:59 Uhr
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Von den 1500 Autobahnkilometern sind aktuell gerade mal 97 Kilometer sechsspurig. Der Bundesrat plant den Grossausbau. Im Bild: Das Autobahn-Dreieck Zürich-West. In der Mitte das Portal des Uetlibergtunnels.
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Cinzia Venafro und Lea Hartmann

Es ist eines der grössten Ärgernisse eines Autofahrers: auf der Autobahn im Stau zu stehen. Dagegen hat der Bundesrat jetzt in einem Zukunftsszenario eine umstrittene Abhilfe skizziert: «Zwischen den grossen Städten soll das Nationalstrassennetz «konsequent auf mindestens 2 mal 3 Spuren» ausgebaut werden.

Heute sind von den 1500 Schweizer Autobahnkilometern gerade mal 97 Kilometer sechsspurig. Der Bundesrat plant also einen Grossausbau. Gegen die Pläne wehrt sich Klaus Zweibrücken, Professor für Verkehrsplanung an der Hochschule für Technik in Rapperswil SG. «Ich erlaube mir, die Schweiz vor diesem monumentalen Fehler zu warnen. Der Ausbau der Autobahn auf sechs Spuren ist ein mehr als merkwürdiger Ansatz», sagt der Deutsche.

«Am schnellsten am Ziel wären wir alle mit Tempo 80»

Damit werde noch mehr individueller Personenverkehr generiert, «also das Gegenteil dessen, was ökologisch und sozialverträglich ist». Es sei ausserdem unökonomisch, ein ganzes Strassennetz auf die maximal auftretende Belastung hin auszubauen. «So hätten wir einfach bei Stosszeiten mehr Spuren zum Befahren – 20 Stunden am Tag aber wären sie leer. Die Kosten-Nutzen-Rechnung geht einfach nicht auf.»

Und Zweibrücken betont: «Am schnellsten am Ziel wären wir alle mit Tempo 80. Das ist die optimale Geschwindigkeit, wenn man Sicherheitsabstand und Leistungsfähigkeit ins Verhältnis nimmt.» Die Schweiz setzt das bereits um: Auf insgesamt rund 400 Autobahn-Kilometern sind heute Anlagen im Einsatz, die automatisch eine tiefere Höchstgeschwindigkeit signalisieren, wenn der Verkehr zu kollabieren droht. Bis in etwa fünf Jahren will das Bundesamt für Strassen (Astra) 800 Autobahnkilometer so signalisieren.

FDP-Burkart: «Wir werden noch mehr Platz brauchen»

Eine weitere Entwicklung spreche gegen sechsspurige Autobahnen: Künftig könnten selbstfahrende Autos das Strassenbild prägen. «Für die Raumplanung bedeutet dies, dass es erst recht keinen Sinn macht, Autobahnen weiter auszubauen.» Das sei wie bei einem Ameisenhaufen: Weil die einzelnen Ameisen so gut organisiert sind und miteinander kommunizieren, gebe es keinen Stau.

Dem widerspricht TCS-Vizepräsident und FDP-Nationalrat Thierry Burkart (43): «Die Bevölkerung wächst, und der technische Fortschritt wird zu noch mehr Individualverkehr führen. Mit autonomen Fahrzeugen und künstlicher Intelligenz werden auch Rentner oder kleine Kinder die Strassen benützen, also braucht es mehr Platz.»

Ob der Autobahn-Ausbaupläne auf die Barrikaden geht der Präsident der Alpeninitiative, Jon Pult (34): «Die Vorstellung, dass breitere Strassen das Verkehrsproblem lösen, ist total veraltet. Unser System würde irgendwann kollabieren, wir haben schlicht den Platz nicht.»

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