Die Post kommt nicht aus den Negativschlagzeilen. Der gelbe Staatsbetrieb, der letztes Jahr in seiner Postauto-Sparte mit einem Schaden von mehr als 200 Millionen Franken den grössten Subventionsbetrug der Schweizer Geschichte zu verantworten hatte und selbst einräumte, seine Chauffeure ausgepresst zu haben, grilliert auch seine Päckli-Sortierer.
Über 50 Grad müssen die Angestellten des Paketzentrums Härkingen SO dieser Tage aushalten, wenn sie Päckli aus den Containern ausräumen. Das behaupten nicht bloss mehrere «Pöstler», die sich bei BLICK gemeldet haben. Nein, auch die Post selbst bestätigt die Hitze in den Containern, die intern als «Päckli-Bräter» bekannt sind. Als Gegenmassnahme empfiehlt die Postleitung häufigeres Rotieren, damit sich die einzelnen Postangestellten nicht zu lange der Hitze aussetzen.
«Drei T-Shirts durchgeschwitzt»
«Uns ist bewusst, dass die Arbeitsbedingungen in den Containern bei aussergewöhnlicher Hitze wie in den letzten Tagen für unsere Mitarbeitenden schwierig sind», so Post-Sprecher Erich Goetschi.
Die Rotation, die die Post für Härkingen empfiehlt, mag mit einem unbegrenzten Heer von Mitarbeitern aufgehen, bei einer fixen Belegschaft müssen die Arbeiter aber immer wieder ran. «Es dauert bis zu einer Stunde, bis so ein Päckli-Bräter leer ist, denn die Maschinen in Härkingen laufen derzeit nicht optimal», erzählt einer der Mitarbeiter, die sich beim BLICK gemeldet haben. Und ein zweiter bestätigt: «Normalerweise brauchen wir so 40 Minuten. Aber jetzt viel länger.»
Weil sie immer wieder in die heissen Container steigen müssten und es bei jedem einzelnen länger dauere, habe er am Vortag «bis etwa 3.15 Uhr in der Nacht gleich drei T-Shirts durchgeschwitzt». Immer wieder müssten sie bei dieser Affenhitze «elf Stunden oder länger arbeiten», sagt er. Mit bloss zweimal einer halben Stunde Pause, die für die effektive Arbeitszeit abgerechnet werden müsse.
Gesundheitsgefährdend?
«Eine Stunde körperliche Arbeit bei dieser Hitze, und das mehrmals während einer Schicht, kann ohne besondere Massnahmen gesundheitsgefährdend sein», gibt Syndicom-Sprecher Christian Capacoel zu bedenken. Seine Gewerkschaft kennt die Klagen. Man habe diese auch mehrfach deponiert.
Bei der Post heisst es nur, es sei leider nicht möglich, in den Containern Klimageräte zu installieren oder anderweitig für konstantere Temperaturen zu sorgen – obwohl tagtäglich Kühltransporter Migros und Coop mit Glaces versorgen und praktisch jeder Neuwagen eine Klimaanlage besitzt.
Die Schichten wurden verlängert
Post-Sprecher Goetschi bestätigt auch, dass «aufgrund einer Anpassung der Förderbänder» die Anlage zurzeit nicht auf Maximalleistung läuft. Deshalb hätten die Schichten während der letzten Tage verlängert werden müssen. «Konkret waren die Arbeitszeiten zwar länger als geplant – sie blieben aber immer unter zehn Stunden», sagt er. Seine Aussage zur Arbeitszeit deckt sich nicht mit den Aussagen der Mitarbeiter.
Diese werfen der Post zudem vor, sie habe Personal abgebaut, was die derzeitigen Probleme in Härkingen noch verschlimmere. «Der Personalbestand ist auf das erwartete saisonale Paketvolumen abgestimmt. Jahresschwankungen sind entsprechend normal und haben nichts mit einem Personalabbau zu tun», entgegnet der gelbe Riese. Er räumt aber ein, dass das Paketvolumen «diese Woche leicht über dem erwarteten Rahmen» liegt.
Kosten sparen auf dem Rücken des Personals
Glaubt man den Aussagen der Postangestellten, dann ist das Volumen schon länger höher. Eine unzureichende Einsatzplanung und mangelnde Rücksicht auf das Personal – so lassen sich die Vorwürfe an die Post zusammenfassen, wie auch die Gewerkschaft Syndicom unterstreicht: «Der Personalmangel ist in den Logistikzentren ein bekanntes Problem.» Der Effizienzdruck sei sehr hoch, so Syndicom-Mann Capacoel. Man spare Kosten. «Und das auf dem Rücken des Personals.» In der Folge häuften sich Krankheitsfälle. Und wer könne, der kündige.
Die Post könne die Arbeitsintensität anpassen, zusätzliche kurze Pausen zur Abkühlung einführen, einen gekühlten Pausenraum bauen – oder sich eben doch klimatisierte Container zulegen. «Dass solche Massnahmen nicht eingeführt wurden, zeigt, dass die Post die Arbeitnehmenden nicht ernst nimmt», so Capacoel.
Die Hoffnung ruht auf Sommaruga
Hoffnung setzt die Gewerkschaft in die neue Postministerin Simonetta Sommaruga (59, SP). Wenn bei der Post-Führung ankomme, dass ihr das Mitarbeiterwohl tatsächlich ein Anliegen sei, könnte das den neuen Post-Chef Roberto Cirillo (49) anspornen, das Versprechen in seiner Antrittsrede einzulösen, dem Staatsbetrieb einen «Gingg ins Füdli» zu geben und die einst beliebte Staatspost wieder in den Dienst aller zu stellen.