Die Gesundheitskosten steigen und steigen. Die Ausgaben der obligatorischen Krankenversicherung belaufen sich mittlerweile auf über 30 Milliarden Franken pro Jahr. Das bekommen auch die Prämienzahler zu spüren. Gemäss einer Studie des Beratungsunternehmens Ernst & Young könnten sich die Prämien bis zum Jahr 2030 mehr als verdoppeln.
Brand: «Selbstbedienungsladen»
Für die Krankenkassen ist klar, wer an diesem Kostenanstieg schuld ist: Es sind die Ärzte. SVP-Nationalrat Heinz Brand (GR), Präsident des Krankenkassenverbandes Santésuisse, kritisierte kürzlich in einem Gastbeitrag im «Tages-Anzeiger», dass Ärzte ihre Arbeit zu einem fixen Preis und weitgehend unlimitiert abrechnen könnten.
Rund 20 Prozent der Leistungen seien nachweislich überflüssig oder qualitativ ungenügend. Eine Arztpraxis sei ein «gut frequentierter Selbstbedienungsladen», erklärt der Bündner und warnt: «Unsere Krankenversicherung wird kaputtgehen, wenn künftig nicht haushälterischer mit den Prämien der Versicherten umgegangen wird.»
Ärzte kontern: «Bürokraten im Glashaus»
Damit bringt Brand die Ärzte regelrecht in Rage. Besonders hässig ist Josef Widler, Präsident der Zürcher Ärztegesellschaft. Der Handlungsbedarf im Gesundheitswesen sei unbestritten, sagt der Allgemeinmediziner. Aber: «Dass die Krankenkassen uns Ärzte als Betrüger und Raffzähne diffamieren, ist inakzeptabel.» Er könne jederzeit nachweisen, warum ein Diabetiker heute mehr Kosten verursache als vor 20 Jahren.
Die Krankenkassenvertreter hingegen seien «in Glashäusern sitzende Bürokraten, die ständig Steine werfen, indem sie den Berufsalltag der Ärzte in einen kafkaesken Administrationsalbtraum verwandeln». Ein Teil der Kostensteigerung gehe nämlich auf das Konto der Kassen, deren Kontrollmentalität den Ärzten immer mehr bürokratischen Aufwand bescheren würde. «Statt Papiere hin und her zu schieben, sollten die Kassenvertreter vielleicht mal zu ihren Versicherten in den Pflegeheimen gehen. Dann würden sie sehen, wie viel Pflege und ärztliche Betreuung diese brauchen», fordert er.
Einladung an Berset und Brand
Auch Widler findet, dass die schwarzen Schafe unter seinen Kollegen zur Rechenschaft gezogen werden müssen. Doch alle anderen sollten sich an einen Tisch setzen und innovative Lösungen suchen. Und hier macht Widler einen Schritt auf die Gegenseite zu: Auf der Website der Zürcher Ärztegesellschaft lädt er Brand, aber auch Gesundheitsminister Alain Berset und weitere Experten zu einem Workshop in seine Praxis ein. «Statt die Ärzte an den Pranger zu stellen, sollte man sich fragen, ob die Finanzierung die richtige ist.» Und er hat gleich eine innovative Idee: «Warum soll jemand, der eine Zweitmeinung will, diese anteilig nicht bezahlen müssen?»