Nicole Ehrler (35) starrt traurig auf alte Fotos von ihrem Sohn Jamil. Der damals Fünfjährige posiert lachend vor der Kamera. Diese Bilder sind die letzte Erinnerung, an die sich die Mutter heute klammert. «Es ist alles so schlimm», sagt sie zu BLICK. Die junge Frau kämpft mit den Tränen: «Ich sah Jamil das letzte Mal 2011. Dann hat ihn mein Ex-Mann in den Libanon entführt.»
Vater Mounir H. (34) stand dafür gestern mal wieder in Luzern vor Gericht. Bereits am 22. Juni 2016 verurteilte man ihn wegen «qualifizierter Entführung» und «Entziehen von Unmündigkeit» zu einer Gefängnisstrafe von 3 Jahren und 4 Monaten. Der IV-Rentner befindet sich nun in Sicherheitshaft. Gegen das Urteil legt er Berufung ein.
Jamil (11) ist angeblich in Beirut bei seiner Grossmutter
Weinerlich beteuert Mounir H. vor Gericht seine Unschuld: «Jamil lebt bei seiner Grossmutter in Beirut. Es geht ihm gut.» Und sagt dann frech: «Seine richtige Mutter will ihn gar nicht sehen.» Der Libanese verspricht sogar, «dass er bei einem Freispruch das Kind in die Schweiz zurückbringt».
Alles gelogen? Mounir H. kooperiert seit fast sechs Jahren nicht mit den Behörden. Im Oktober 2011 reist er mit seinem Sohn illegal in den Libanon. Wochen später kommt er allein zurück. Seither weigert sich der Vater konstant, den Jungen in die Schweiz zu holen.
Für die Staatsanwaltschaft ist klar: «Der Beschuldigte handelt egoistisch. Das Wohl von Kind und Mutter sind für ihn belanglos.» Deshalb fordert man sogar eine härtere Gefängnisstrafe von mindestens vier Jahren.
Zum Zeitpunkt der mutmasslichen Entführung lebte Jamil in Luzern im Kinderheim. Die Eltern waren getrennt, hatten aber beide ein Besuchsrecht. «Ich befand mich in einer schweren Lebenskrise», sagt Nicole Ehrler rückblickend.
«Mein Ex-Mann gab mir die falsche Nummer»
Heute geht es ihr besser. Sie heiratete wieder und lebt zusammen mit ihrem Mann und den drei gemeinsamen Kindern in Nidwalden: «Das Muttersein lenkt mich ab», sagt sie. Trotzdem frage sie sich täglich: «Wo steckt mein Jamil?» Fakt ist: Mounir H. stellt bewusst keinen Kontakt her. «Er sagt, mein Jamil spricht nur arabisch», so die verzweifelte Mutter. Und: «Er gab mir eine falsche Telefonnummer.»
Trotzdem behält sie ihre Hoffnung: «Ich träume immer wieder, wie Jamil plötzlich vor meiner Tür steht.»