Es waren relativ kleine Explosionen, die vergangene Woche zwei Öltanker im Golf von Oman beschädigten. Die Sprengkraft reichte nicht aus, um die Schiffe zu versenken oder die Mannschaft ernsthaft zu gefährden. Aber der Knall war gross genug, um die Welt zu erschüttern – und die USA und den Iran an den Rand eines Krieges zu führen. Die Explosionen trafen eine der wichtigsten Ölrouten, eine Hauptschlagader des Welthandels.
Iran kündigt höhere Anreicherung von Uran an
«Der Iran hat das getan», schäumte US-Präsident Donald Trump gegenüber Fox News schon am Freitag, kaum war das Feuer gelöscht. Die Iraner wiederum beschuldigten die Amerikaner selber – und bekamen Rückendeckung von Russland. Aus Teheran hiess es zudem, man werde die Uran-Anreicherung wieder forcieren. Konkret werde die Menge von 300 Kilogramm angereichertem Uran am voraussichtlich am 27. Juni 2019 überschritten.
Es ist das Aufflammen eines Konflikts, der schon seit vielen Jahren schwelt. Und die Welt fragt sich: Droht der nächste blutige Krieg im Nahen Osten?
«Es könnte zu einer schrittweisen Eskalation kommen»
Der Nahost-Experte Ulrich Tilgner (71), auch bekannt aus seiner Zeit beim SRF, sagt gegenüber BLICK: «Ich schätze die Möglichkeit eines bewaffneten Konflikts auf etwa 40 Prozent. Es ist zwar brandgefährlich, aber noch ist die Lunte nicht gezündet.» Tilgner glaubt, dass weder für die USA noch für den Iran ein Krieg politisch Sinn machen würde. «Aber wenn den iranischen Hardlinern gedroht wird, reagieren sie mit Gegendrohungen. Leider funktioniert Donald Trump da ganz ähnlich.»
Die grösste Kriegsgefahr sieht der 71-Jährige denn auch darin, dass keine der Parteien nachgeben will: «Dann kann es zu einer schrittweisen Eskalation kommen, Zug um Zug.» Schlagartig anders sähe die Situation aus, wenn die Angriffe auf internationale Transportschiffe weitergehen. «Wenn ein Schiff sinkt, dann gibt es Krieg.»
Warum soll der Iran Öltanker angreifen?
Stellt sich die Frage: War es tatsächlich der Iran, der die Öltanker direkt vor der eigenen Haustür angriff? «Sehr gut möglich», sagt Nahost-Experte Tilgner. «Ich denke, das war eine Warnung an die Welt. Dass man den Welthandel mit einem Knopfdruck in Geiselhaft nehmen kann – und sich von wirtschaftlichen Sanktionen nicht beeindrucken lässt.»
Trump hingegen versuche nun, maximalen Druck aufzubauen, um den Iran in die Knie zu zwingen. Hier hätten die USA eine imperialistische Haltung, kritisiert Tilgner.
Kommt es wirklich zur Eskalation, wird es blutig, befürchtet der Experte. «Es wird ein Guerillakrieg mit Selbstmordattentätern. Allein die Zuwachsrate des US-Militärbudgets ist grösser als das ganze Militärbudget des Irans. Da kann man nur mit einem dreckigen, asymmetrischen Krieg etwas erreichen.»
Für die Schweiz sieht der 71-Jährige keine aktive Rolle als Vermittlerin: «Offiziell vertritt die Schweiz die US-Interessen im Iran. Aber mehr als eine Gastgeberrolle ist im aktuellen Konflikt meiner Meinung nach nicht drin.»
Tilgner geht davon aus, dass die Krise in den nächsten Wochen und Monaten etwas abflacht. «Je näher die Wahlen in den USA aber kommen, desto grösser wird die Kriegsgefahr. Denn das amerikanische Volk will den Krieg gegen den Iran.»