Nach dem Unglück in der Maggia
Profis sagen: Canyoning ist trotzdem so sicher wie nie

Canyoning-Guide Tristan B. (†38) und sein Partner (†38) starben, weil sie die Tücken im Val Grande überprüfen wollten. Berufskollegen sind geschockt.
Publiziert: 29.04.2017 um 17:57 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 02:56 Uhr
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Reissender Bach im Val Grande. Der Belgier Tristan B. und sein Kollege aus Spanien starben beim Canyoning.
Foto: Rescuemedia
Myrte Müller

Das Drama im Tessiner Maggiatal schockiert. Zwei Tote, ertrunken in den Fluten eines Wildbachs. Tristan B. und sein spanischer Kollege (beide 38) waren Canyoning-Vollprofis. Und dennoch: Am Donnerstagnachmittag stiegen sie bei Gordevio TI in das Val Grande ein und kehrten nicht wieder heim.

Da werden die Bilder der Saxetbach-Katastrophe vor 18 Jahren mit 21 Toten wach (siehe Box). Und die Frage kommt auf: Ist Canyoning nicht doch gemeingefährlich?

«Der Sport war wohl nie so sicher wie heute. Das gilt besonders für die Schweiz», sagt Armin Stocker (46) von Wasser-Land. Der Zürcher Outdoor-Unternehmer bekam das Saxetbach-Unglück direkt zu spüren. «Wir hatten danach einen Einbruch von 80 Prozent», sagt Stocker.

Die Canyoning-Szene ist erwachsen geworden

Seither aber sei viel passiert. «Es wurde ein Risiko-Sportarten-Gesetz geschaffen mit strengen Vorschriften. Der Sport wurde strukturiert und reguliert. Die Guides sind top ausgebildet, die Anbieter hoch professionell. Auch die Materialien haben sich verbessert», sagt Armin Stocker. «Die Szene ist erwachsen geworden.»

Dass trotzdem noch Unglücke passieren, bezeichnet Armin Stocker als «Restrisiko»: «Kein Profi geht mehr mit Kunden in ungesicherte Schluchten. Also werden Kontrollgänge gemacht, besonders nach dem Winter, und die Canyons für die Saison hergerichtet.» 

Bei Regen in Canyon: Reiner Leichtsinn!

Da könne ein Baum, ein Stein locker sein und schon passiere ein Unglück, so der Canyoning-Spezialist aus Zürich. «Die beiden Guides sind im Tessin ums Leben gekommen, weil sie für die Sicherheit ihrer Kunden unterwegs waren.» 

Das meint auch Kollege Anton Draganits (59), Geschäftsführer von Trekking Team in Tegna TI: «Die beiden wollten den Canyon sichern. Es waren sehr erfahrene Guides. Was da passiert ist, kann ich mir nicht erklären.»

Von den angefragten Guides ist nur Fabio Marinelli (33), Besitzer von Swisschallenge in Cresciano TI, kritischer: «Niemand geht bei Regen in den Canyon. Da war viel zu viel Wasser in den Bächen. Reiner Leichtsinn!»

Die Natur entscheidet über Leben und Tod

Der Sport an sich sei aber nicht besonders gefährlich. «Natürlich kann man abrutschen und sich wehtun. Aber Unglücke wie in Gordevio müssen nicht sein», so Fabio Marinelli. «Lässt ein Staudamm Wasser ab, kann der Bach plötzlich anschwellen. Doch das Tessin ist vorbildlich. Wer in den Canyon will, meldet seine Tour bei einem der Elektrizitätsanbieter an.»

Juanito Ambrosini (51) hat für den Belgier Tristan B. als Canyoning-Guide gearbeitet. «Er war ein sehr verantwortungsvoller Mann. Aber eben: Die Natur entscheidet über Leben und Tod. Wir sind nur Gast. Wenigstens starben die beiden bei ihrer Leidenschaft.»

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