Der Bundesrat hat die entsprechende Verordnung am Mittwoch verabschiedet - am Tag, an dem im deutschen Halle ein mutmasslicher Rechtsextremist bei einem Angriff auf eine Synagoge und einen Döner-Imbiss zwei Menschen erschoss und zwei weitere schwer verletzte.
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Angriffe auf Minderheiten
Geplant war der Schritt indes schon länger. Minderheiten seien in den letzten Jahren auch in Europa wiederholt zum Ziel gewaltsamer Aktionen oder entsprechender Planungen geworden, schreibt der Bundesrat im am Donnerstag veröffentlichten Bericht zur Verordnung. Diese tritt am 1. November in Kraft.
Wie sollen die Schutzmassnahmen aussehen?
Möglich sind künftig Unterstützungen für bauliche, technische und organisatorische Sicherheitsmassnahmen. Dazu gehören Zäune, Mauern, Überwachungskameras oder Alarmanlagen. Der Bund kann auch Ausbildungen zu Risikoerkennung, Bedrohungsabwehr, Sensibilisierung und Information finanziell unterstützen. Nicht möglich ist hingegen eine Beteiligung des Bundes an den Kosten von Sicherheitspersonal.
Unterstützt werden können Minderheiten, die sich durch eine gemeinsame Lebensweise, Kultur, Religion, Tradition, Sprache oder sexuelle Orientierung auszeichnen. Im Fokus dürften jüdische und muslimische Gemeinschaften stehen, schreibt der Bundesrat.
Wer finanziert den zusätzlichen Schutz?
Über die Gewährung der finanziellen Unterstützung entscheidet das Bundesamt für Polizei (fedpol). Neben der besonderen Gefährdung prüft das fedpol, ob die betreffende Gruppierung eine gefestigte Bindung zur Schweiz und ihren Werten hat.
Für politische Aktivitäten, Lobbyarbeiten oder missionierende Tätigkeiten würden keine Beiträge gesprochen, hält der Bundesrat fest. Das gelte auch für die Ausbildung an Waffen. Die Hilfe des Bundes ist ebenfalls ausgeschlossen, wenn der Gesuchsteller verbotene Tätigkeiten ausübt oder Gewalt verherrlicht oder verharmlost.
Einen maximal zur Verfügung stehenden Betrag hat der Bundesrat nicht in die Verordnung geschrieben. Bei einer allfälligen Veränderung der ordentlich eingestellten Mittel müsse so nicht jedes Mal die Verordnung angepasst werden, schreibt er im Bericht.
Bei der Erarbeitung des Konzepts sei jedoch beschlossen worden, dass der Bund jährlich Finanzhilfen von maximal 500‘000 Franken leisten solle. Damit sei auch die Erwartung verbunden, dass die Kantone Leistungen in gleicher Höhe erbringen würden.
Empfänger müssen Eigenleistung erbringen
Ob und in welchem Umfang Finanzhilfen gewährt werden, hängt von den eingereichten Gesuchen ab. Nicht ausgeschöpfte Mittel werden nicht auf das Folgejahr übertragen. Die Finanzhilfen des Bundes dürfen höchstens 50 Prozent der anrechenbaren Kosten der jeweiligen Massnahme betragen.
Dadurch werde sichergestellt, dass die Beitragsempfänger eine möglichst hohe Eigenleistung erbringen würden, hält der Bundesrat fest. Mindestens die Hälfte der Kosten sollen durch Eigenmittel oder Dritte (Kantone, Gemeinden und Private) erbracht werden.
Der Schweizerische Israelitische Gemeindebund (SIG) hatte in einem Positionspapier festgestellt, dass Jüdinnen und Juden weitgehend selbst für ihre Sicherheit sorgen müssen. Das koste mehrere Millionen Franken pro Jahr.
Der Bundesrat lehnte eine Unterstützung zunächst ab. Er stellte sich auf den Standpunkt, die Wahrung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sei Aufgabe der Kantone. Das stiess jedoch auf Kritik. In der Folge gingen der Bund und die Kantone die Sache gemeinsam an. 2018 verabschiedete der Sicherheitsverbund Schweiz ein Konzept, auf dem die nun beschlossenen Regeln basieren. Massnahmen gefordert hatte auch das Parlament. Es nahm eine Motion des Zürcher SP-Ständerates Daniel Jositsch an.
Positive Reaktionen auf Verordnung
Der Verordnungsentwurf ist in der Vernehmlassung weitgehend positiv aufgenommen worden. Die nun verabschiedete Verordnung entspreche deshalb weitgehend dem Entwurf, schreibt der Bundesrat. Der SIG und die Plattform der Liberalen Juden der Schweiz bezeichneten diesen als zweckmässig und zielführend. Damit könne eine sehr schwierige Situation in einem ersten Schritt verbessert werden.
Gegen die geplante Regelung stellten sich die Kantone Appenzell Inerrhoden und Neuenburg sowie die SVP. Sie monierten, die Kantone seien für die innere Sicherheit zuständig. Die SVP stellte auch in Frage, dass die Bundesunterstützung die Sicherheit der Minderheiten verbessert.
(SDA)