Ralph Kugler (53) ist Dozent für Medienpädagogik und Mediendidaktik an der Pädagogischen Hochschule St. Gallen und berät Schulen, Kantone und Firmen in Sachen Digitalisierung. Als Experte für das Thema E-Learning ist er derzeit ein gefragter Mann. Das Interview findet ganz altmodisch via Telefon statt – echte Treffen sind in diesen Zeiten ja noch Tabu.
BLICK: Herr Kugler, wie gut haben die Schulen in der Schweiz aus Ihrer Sicht auf Fernunterricht während der Coronakrise umschalten können?
Ralph Kugler: Einige machten das sehr variantenreich digital – andere ausschliesslich analog. So wurden beispielsweise Couverts verteilt mit Arbeitsblättern darin, die dann von Schülern ausgefüllt zurückgebracht werden mussten. Andere Schulen setzten indes bestehende oder neu installierte ICT-Plattformen ein und konnten so rasch Inhalte verteilen und mit den Schülern kommunizieren. Was man feststellen kann: Schulen, die bei der digitalen Transformation schon weiter waren, konnten schneller und besser auf die plötzliche Schulschliessung im März reagieren.
An vielen Schulen herrschte vorübergehend Chaos und Überforderung. Woran muss nun gearbeitet werden, damit man künftig besser auf solche Situationen reagieren kann?
Die Schulschliessungen haben nochmals deutlich gemacht, dass sich Schulen der Digitalisierung nicht verschliessen dürfen. Das im Rahmen des Lehrplans 21 neu geschaffene Fach Medien und Informatik ist mitunter eine wichtige Reaktion auf diese gesellschaftlichen Veränderungen. Diesbezüglich stehen viele Schulen aber noch ganz am Anfang.
Woran hapert es?
Das grösste Problem ist, dass in ganz vielen Schulen lange gedacht wurde, dass Digitalisierung gleichbedeutend ist mit dem Anschaffen von neuen Geräten und der Internet-Infrastruktur. Man hat also Tablets bestellt und das WLAN bereitgestellt und dann geglaubt, einen riesigen Schritt in der Digitalisierung gemacht zu haben.
Und warum ist dem nicht so?
Die digitale Transformation von Schulen wurde vielerorts zu wenig systematisch in der Weiterbildung und Ausbildung von Lehrkräften thematisiert. Die nun fehlenden fachdidaktischen und mediendidaktischen Kompetenzen wurden durch die Corona-Situation teils augenfällig. Die Qualität des Unterrichts musste vielerorts völlig vernachlässigt werden, weil vielen Lehrern die Skills gefehlt haben, die Möglichkeiten des digitalen Unterrichts sinnvoll zu nutzen.
Sie unterstützen den Kanton St. Gallen bei der Umsetzung der Digitalisierung der Schulen. 20 Millionen Franken will der Kanton dort investieren. Werden damit nun nicht nur neue Geräte und Programme gekauft?
Tatsächlich soll im Kanton St. Gallen mehr als die Hälfte des Geldes in die Aus- und Weiterbildung der Lehrkräfte fliessen. Das Ziel der IT-Bildungsoffensive, ein stufen- und bedarfsgerechtes, modulares Weiterbildungsangebot zur Verfügung zu stellen, gewinnt deshalb gerade wegen Corona noch mehr an Bedeutung.
Bei den Programmen und Tools, mit denen die Lehrer und Schüler derzeit arbeiten, merkt man: Schulen in den verschiedenen Kantonen haben nicht einheitlich digitalisiert. Wäre es nicht besser, wenn alle Schulen auf dieselben Programme setzen würden?
Natürlich wäre das praktischer – aber stellen Sie sich nur mal die langen Wege vor, bis sich alle Kantone beispielsweise auf ein Vorgehen geeinigt haben. Nein, ich denke, der Föderalismus sorgt dafür, dass einige Kantone bei der digitalen Transformation der Schule rascher vorangehen können, wenn sie das wollen. Und nicht auf Kantone warten müssen, die weniger ambitioniert sind.
Wo steht die Schweiz mit Blick auf die Digitalisierung der Schulen?
Wir haben schon Fortschritte gemacht in den letzten Jahren, sind aber nicht weiter als andere. Im Gegenteil: Wer sich in Dänemark oder Estland umschaut, sieht, was alles möglich wäre. Während wir hier noch warnen und uns über Datenschutzprobleme beugen, sind in Dänemark Behördengänge und Prozesse vollständig digitalisiert, und die Eltern könne praktisch in Echtzeit die Leistungen der Kinder in der Schule am Computer mitverfolgen.
Ralph Kugler (53) ist Co-Leiter des Instituts ICT & Medien der Pädagogischen Hochschule St. Gallen sowie Dozent für Medienpädagogik und Mediendidaktik. Er betreut zudem die IT-Bildungsoffensive des Kantons St. Gallens. Kugler hat aber auch Digitalisierungsprojekte für Firmen und Berufsfachschulen begleitet.
Ralph Kugler (53) ist Co-Leiter des Instituts ICT & Medien der Pädagogischen Hochschule St. Gallen sowie Dozent für Medienpädagogik und Mediendidaktik. Er betreut zudem die IT-Bildungsoffensive des Kantons St. Gallens. Kugler hat aber auch Digitalisierungsprojekte für Firmen und Berufsfachschulen begleitet.