Maso T. (53) erstach seine Frau vor ihren Kindern – Obergericht bestellt Gutachten
Gnade wegen Hirntumor?

Maso T. (53) hat am 17. Oktober 2017 seine Frau in der Küche erstochen. Er ist mit dem Urteil – elf Jahre Haft – nicht zufrieden. Vor dem Obergericht kommt aber kein Urteil zustande, weil ein Bericht fehlt.
Publiziert: 12.05.2020 um 19:03 Uhr
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Aktualisiert: 12.05.2020 um 20:22 Uhr
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Das Ehepaar T. zusammen mit seinen vier Kindern. Die drei minderjährigen Kinder – die beiden Söhne und die jüngere Schwester – waren im Haus, als ihr Vater ihre Mutter tötete.
Beat Michel

Die blutige Tat geschah am 17. Oktober 2017. Das Ehepaar Maso T.* (53) und Refadija T.* (†45) hatte Streit. Der Montenegriner nahm ein Küchenmesser und erstach seine Frau vor den Augen der gemeinsamen Kinder. Elf Jahre Gefängnis und zehn Jahre Landesverweis brummte ihm das Bezirksgericht Bülach ZH dafür auf. Sowohl Maso T. wie auch die Staatsanwältin waren mit dem Urteil nicht zufrieden. Beide Parteien gingen vor das Obergericht.

Maso T. erscheint beim neuen Prozess in einem grauen kurzärmligen T-Shirt. Er trägt die Haare sehr kurz, wirkt ungesund, sein Gesicht ist aufgedunsen. Der Angeklagte zeigt während dem Prozess keine Gefühlsregung.

Verteidiger wollte Freispruch

Sein Anwalt fordert nichts weniger als einen Freispruch. Maso T. habe den Tod seiner Frau im Zustand völliger Schuldunfähigkeit verursacht. Von einer Landesverweisung sei darum auch abzusehen. In einem zweistündigen Plädoyer versucht der Anwalt aufzuzeigen, dass der Montenegriner seine Frau im Affekt getötet hatte, ohne sich seiner Handlung bewusst gewesen zu sein.

Er habe die Kontrolle aus vielen Gründen verloren. Einerseits leide er durch die Operation des Hirntumors an einer unbehandelbaren Störung. Man wolle hier einen geistig und körperlich beeinträchtigten Mann bestrafen. Maso T. selber könne sich nicht an die Tat erinnern. Er habe nur gestanden, weil er es halt gewesen sein muss. Nicht weil er es wusste. Seine Kinder hatten es gesehen. Es käme sonst ja auch niemand in Frage.

Maso T. habe keine Vorstrafen, weder in der Schweiz noch in Serbien. In der Justizvollzugsanstalt Pöschwies flechte er Sitzflächen für Stühle. Laut Bericht verhält er sich im Gefängnis vorbildlich. Seine vier Kinder seien mittlerweile alle Schweizer Bürger – sie gehen zur Schule, haben gute Noten. Bis auf einen Sohn hätten auch alle auf seine Briefe geantwortet.

Amnesie sei Schutzbehauptung

Die Staatsanwältin ist komplett anderer Meinung. Sie verlangt eine Erhöhung der Strafe von 11 auf 15 Jahre Gefängnis und die Erhöhung der Landesverweisung von 10 auf 15 Jahre. Sie glaubt nicht, dass Maso T. sich nicht mehr an die Tat erinnern kann. Das sei eine Schutzbehauptung.

Er habe ohne Provokation das Messer genommen und seine Frau mitten ins Herz gestochen. Er habe erst aufgehört, als sie tot war. Danach leistete er keine Erste Hilfe. Er half auch nicht, als die Kinder um das Leben ihrer Mutter kämpften.

Gnade wegen Hirntumor?

Eigentlich kündigte das Gericht ein Urteil auf den Nachmittag an. Doch der vorsitzende Oberrichter vertröstete die Anwesenden im Gerichtssaal. Es fehle der Untersuchungsbericht vom Unispital. «Vielleicht wegen Corona», sagt er. Es gebe aber in einem vorhergehenden Bericht Hinweise auf eine negative Entwicklung des Hirntumors. Dennoch könne das Gericht ohne diesen aktuellen Bericht kein Urteil fällen.

Was ein negativer Bericht für Folgen hätte, sagt der Richter nicht. Vermutlich geht es um die Frage, ob eine Landesverweisung zumutbar ist. Zeichnet sich eine Verschlimmerung der Krebserkrankung ab, würde vermutlich Rücksicht darauf genommen.

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