Mascotte-Messerstecher-Prozess artet aus
Opfer droht im Gerichtssaal mit Prügel

Der Messerstecher vom Mascotte beteuert vor Gericht seine Unschuld. Er habe die Stichwaffe nur zur Notwehr benutzt. Das Gericht glaubt ihm nicht. Zu oft hatte er widersprüchliche Aussagen gemacht. Die Richterin macht klar: Ein Messer im Ausgang ist eine schlechte Idee!
Publiziert: 03.07.2020 um 08:16 Uhr
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Aktualisiert: 03.07.2020 um 12:30 Uhr
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Mit so einem Klappmesser griff Mërgim Z.* den Kampfsportler Fabian B.* im Club Mascotte an und verletzte ihn am Kopf, am Unterarm und am Bauch.
Beat Michel

Die Gestalten, die gestern am Bezirksgericht Zürich erschienen, will man nicht allein im Dunkeln treffen. Alle sind übertrieben muskulös, haben sehr kurze Haare und Tätowierungen. Sie gucken unfreundlich. Sie kommen zur Verhandlung der blutigen Messerattacke im Zürcher Club Mascotte in der Nacht vom Freitag den 26. Januar 2018.

Die Muskelmänner sitzen auf der Opferseite. Sie sind die Privatkläger im Prozess. Profi-Thai-Boxer und Martial-Arts-Kämpfer Fabian B.* (34) wurde in dem Zürcher Club Mascotte mit einem Messer angegriffen und schwer verletzt. Neben ihm nimmt sein Bruder Goran B.* (37) Platz, der an dem Abend ebenfalls verletzt wurde. Auf der Täterseite sitzt der Kosovo-Albaner Mërgim Z.* (34), ebenfalls mit sehr kurzen Haaren, schlecht gelaunt, stark übergewichtig.

Im Gerichtssaal gilt die Maskenpflicht. Einzig der Angeklagte hat Mühe zu atmen. Der langzeitarbeitslose Gipser mit Asthma darf schliesslich die Maske abnehmen. Dafür muss er sich von seinem Anwalt distanzieren.

Attacke ohne Vorwarnung

Die Vorwürfe der Staatsanwältin gegen den Angeklagten wiegen schwer. Nach einer kurzen Rempelei in der überfüllten Raucherlounge des Clubs habe Mërgim Z. sein einhändig bedienbares Klappmesser aus der Hosentasche geholt und ohne Vorwarnung auf Fabian B. eingestochen. Er traf den Kampfsportler zwei Mal am Kopf hinter dem linken Ohr und je einmal am Unterarm und im Unterbauch. Den Bruder von Fabian B. verletzte er mit dem Messer am Arm, als der sich schützend vor ihn stellte.

Wie die Staatsanwältin ausführt, wollte der Kosovo-Albaner den Kampfsportler schlicht tödlich verletzen, sonst hätte er nicht schnell hintereinander und mit Schwung auf den Kopf eingestochen. Nur mit viel Glück trifft er keine lebenswichtigen Organe wie eine Arterie oder die Luftröhre.

Wie der Streit damals im Mascotte ausgebrochen ist, demonstrieren die Muskelmänner unfreiwillig im Gerichtssaal. Quer durch den Zuschauerraum bellen sie sich plötzlich an. «Willst du auch solche Verletzungen, wie ich sie hatte?», fragt Kampfsportler Fabian B. laut und plustert sich bedrohlich auf. Die Warnung richtet sich an die drei Kumpel des Angeklagten im Zuschauerraum. Die wiederum pumpen ebenfalls ihre Muskeln auf und bellen zurück.

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Rayon-Verbot

«Er hat mich schon wieder bedroht», schreit der eine. Und: «Komm nur.» Die Kantonspolizisten im Raum, zum Teil mit Elektroschocker bewaffnet, sorgen schnell wieder für Ordnung im Gerichtssaal. In einer Verfahrenspause müssen die Beamten erneut eingreifen. Einer der Zuschauer kassiert für 24 Stunden ein Rayon-Verbot. Er muss sich mindestens 500 Meter vom Gebäude entfernen. Auch die anderen beiden Freunde des Angeklagten verlassen das Gericht.

Die Staatsanwältin spricht auch die dunkle Vergangenheit des Angeklagten an. In 61 Fällen ist er ist er der Beklagte. Darunter sind Gewalt und Drohung gegen Beamte, Vergehen gegen das Betäubungsmittelgesetz, viele Verkehrsdelikte, Körperverletzung. Zwischen 2004 bis 2018 gibt es nur 5 Jahre, in denen er nicht straffällig wurde.

Der seit 888 Tagen in vorzeitigem Vollzug sitzende Gipser beteuert, dass er damals das Messer in Notwehr eingesetzt habe. Fabian B. und seine Begleiter hätten Flaschen und Gläser gegen ihn geworfen. Er sei beim Zurückweichen auf das Sofa an der Wand gefallen und habe dann auf dem Bauch liegend rückwärts mit dem Messer herumgefuchtelt. So seien die Stichverletzungen zustande gekommen. «Ich wollte die Männer nur auf Distanz halten», sagt Mërgim Z..

Freiheitsstrafe und Landesverweisung

Das Gericht glaubt dem Kosovo-Albaner nicht. Das Gremium verurteilt den Gipser für versuchte vorsätzliche Tötung und einfacher Körperverletzung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von neuneinhalb Jahren und einer Landesverweisung von 15 Jahren. Der Kampfsportler erhält eine Genugtuung von 50'000 Franken, sein Bruder 1000 Franken. Zum Abschluss mahnt die Richterin: «Ein Messer im Ausgang ist eine schlechte Idee!»

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*Name von der Redaktion geändert


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