Koloniale Verstrickungen in Bern
Grabe dort, wo du stehst

Die Schweiz hat am Kolonialismus kräftig mitverdient. Die Spuren davon sind heute noch omnipräsent. Ein Projekt will diese Geschichte am Beispiel Bern nun unter die Leute bringen.
Publiziert: 29.08.2020 um 23:49 Uhr
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Aktualisiert: 29.08.2020 um 23:53 Uhr
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Ein neuer Online-Stadtplan will die kolonialen Verstrickungen der Stadt Bern unter die Leute bringen.
Foto: Getty Images
Valentin Rubin

Berner Söldner schlagen im 19. Jahrhundert im Dienst der Niederlande Aufstände in Südostasien und in der ­Karibik nieder. Die Republik Bern will bereits im 18. Jahrhundert vom Handel über den Atlantik profitieren und investiert kräftig in Unternehmen, die im Sklavenhandel tätig sind. Und die Geranie, die heute zahlreiche Bauernhäuser im Berner Oberland ziert, kommt ursprünglich aus Südafrika. Auch dort sind Berner Söldner im 19. Jahrhundert Seite an Seite mit den Nieder­ländern aktiv.

Das sind nur einige Beispiele, die zeigen: Die Schweiz hat den kolo­nialistischen Machenschaften der europäischen Grossmächte mitnichten tatenlos zugeschaut. Ihre Verstrickungen waren vielfältig und lukrativ (SonntagsBlick berichtete). Eine Initiative der Stiftung Cooperaxion will nun am Beispiel der Stadt Bern zeigen, wie sehr kolonialistische Überbleibsel die Bundesstadt noch heute prägen.

Dazu hat die Stiftung jetzt einen inter­aktiven Stadtplan auf der Website bern-kolonial.ch aufgeschaltet. Karl Johannes Rechsteiner (61), Initiant des Projekts, erklärt: «Wir wollen die Be­völkerung für das Thema sensibilisieren und ein Bewusstsein für die Kolonialgeschichte schaffen.» Alles getreu dem Motto: Grabe dort, wo du stehst.

Auseinandersetzung mit der Geschichte

Finanziert wird das Projekt von Gönnern, aber auch von der Stadt Bern. Diese schreibt auf Anfrage: «Das Projekt gibt einen neuen Denkanstoss im Dialog über Rassismus und Ko­lonialismus. Und die Aus­einandersetzung mit der ­eigenen Geschichte ist die Basis für ein glaubwürdiges Engagement gegen Rassismus heute.»

Karl Johannes Rech­steiner möchte den ­digitalen Stadtplan als ­Pionierleistung und Vorbild für weitere Städte in der Schweiz verstehen: «Wir stehen mit vielen ähnlichen Initiativen in der ganzen Schweiz in Kontakt.» Denn nicht nur Bern habe sich ­kolonial be­reichert. «Unser Ziel ist es, uns in Zukunft besser zu vernetzen und die kolo­ni­ale Geschichte der Schweiz so noch präsenter zu machen.» Denn diese kolo­niale Geschichte ist noch längst nicht zu Ende erzählt.

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