Entscheid in Jurafrage
Gemeinderat von Moutier erbost über Urteil aus Bern

Für den mehrheitlich projurassischen Gemeinderat von Moutier ist das Urteil des bernischen Verwaltungsgerichts ein politisches. Von einer Demission will der autonomistische Stadtpräsident Marcel Winistoerfer nichts wissen.
Publiziert: 29.08.2019 um 15:39 Uhr
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Aktualisiert: 30.08.2019 um 09:52 Uhr
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Poltisches Urteil: Moutiers Stadtpräsident Marcel Winistoerfer (CVP) am Donnerstag vor den Medien in Moutier.

Moutier und die Mehrheit seiner Bevölkerung hätten von der Berner Justiz und den Berner Behörden definitiv nichts zu erwarten, sagte Winistoerfer am Donnerstag vor den Medien in Moutier BE.

Die Vorwürfe zu Unregelmässigkeiten rund um die Abstimmung seien haltlos, sagte Winistoerfer weiter. «Diese Angriffe gegen meine Verwaltung ertrage ich nur schlecht.»

Angesprochen auf die Kritik der Berner Justiz an seinem persönlichen Verhalten sagte Winistoerfer, formell würde er heute anders vorgehen, nicht aber inhaltlich. Erst im vergangenen November war der CVP-Vertreter bei Wahlen im Amt bestätigt worden. Berntreue forderten nach Bekanntwerden des Verwaltungsgerichtsentscheids den Rücktritt aller separatistischen Mitglieder der Stadtregierung.

Er persönlich würde es begrüssen, wenn der Gemeinderat das Urteil aus Bern ans Bundesgericht weiterziehen würde, sagte Winistoerfer weiter. Zuerst sei es aber am Gesamtgemeinderat, das Urteil zu prüfen.

«Moutier wird jurassisch, komme was wolle», sagte der «Maire» von Moutier weiter, wie der Stadtpräsident dort genannt wird. Winistoerfer findet auch nicht, dass die Stadt geteilt sei. In Moutier lebe man gut. (SDA)

200 Jahre Jurafrage - Zankapfel nimmt kein Ende

«Die Jurafrage ist abgeschlossen»: Mit diesen Worten kommentierte die Berner Regierung am 18. Juni 2017 das knappe Ja von Moutier zu einem Kantonswechsel. Doch der Jura-Konflikt brodelt weiter - ein Konflikt, der seinen Ursprung im Jahr 1815 hat.

Wie entstand der Konflikt?

«Erklärung des Wiener Congresses vom 20. März 1815 über die Angelegenheiten der Schweiz»: So heisst das Dokument, das am Anfang des Konflikts steht. Sieben Bezirke des Bistums Basel werden darin dem Kanton Bern zugesprochen: Pruntrut, Delsberg, Freiberge, Moutier, Courtelary, Neuenstadt und Laufen.

Bald kommt es zu Spannungen. Die Bevölkerung dieser Gebiete fühlt sich von den gnädigen Herren in Bern vernachlässigt.

Chronologie der Jurafrage

  • In den 1950er-Jahren wird der Protest lauter. Separatisten drängen auf eine Volksbefragung in den sieben jurassischen Wahlkreisen. Ihre Initiative wird von den bernischen Stimmberechtigten abgelehnt.
     
  • Für Bern ist das Thema damit erledigt. Doch es kommt immer wieder zu Demonstrationen und zusehends auch zu gewaltsamen Zwischenfällen. «Der Jura den Jurassiern» lautet die Parole.
     
  • 1970 ergänzt der Kanton Bern seine Verfassung und macht so den Weg frei zu mehreren Jura-Plebisziten. Der Nordjura löst sich von Bern, seit 1979 gibt es den Kanton Jura.
     
  • Die drei südjurassischen Bezirke Courtelary, Moutier und Neuenstadt stimmen hingegen zweimal für den Verbleib beim Kanton Bern. Auch das Städtchen Moutier sagt mehrmals Ja zu Bern, wenn auch nur knapp. Dass der Jura-Konflikt nun beigelegt wäre, erweist sich als Trugschluss: Separatisten im Süden kämpfen unbeirrt weiter für eine«Wiedervereinigung» mit dem Norden.
     
  • In den 1980er-Jahren kommt es zu gewaltsamen Zusammenstössen zwischen Projurassiern und Berntreuen, Bomben- und Brandanschlägen. 1993 stirbt der Separatist Christophe Bader bei einem versuchten Bombenanschlag in Bern.
     
  • Ab den 1990er-Jahren setzt sich der Bund verstärkt für eine Lösung ein. Der Kanton Bern seinerseits ergänzt die Kantonsverfassung und billigt dem Berner Jura eine «besondere Stellung» zu.
     
  • Schliesslich schafft er ein Sonderstatut für den Berner Jura und Welschbiel. Die Gebiete erhalten eine beschränkte Autonomie im Schul- und Kulturbereich. Doch der Kanton Jura und die Projurassier im Kanton Bern wollen mehr, sie streben weiter eine Vereinigung an.
     
  • 2012 einigen sich die beiden Kantone unter Federführung des Bundes darauf, dass die Bevölkerung an der Urne über die Zukunft des Berner Juras entscheiden soll. Im November 2013 sprechen sich die jurassischen Stimmberechtigten klar für einen neuen Kanton aus - doch im Berner Jura wird das Projekt deutlich abgelehnt.
     
  • Allerdings gab es in Moutier eine Mehrheit für den neuen Kanton. Das Städtchen darf daher - wie vorgängig vereinbart - nochmals abstimmen - und entscheidet sich am 18. Juni 2017 mit knapper Mehrheit für den Wechsel zum Jura. Nur: Aus Sicht der Regierungsstatthalterin des Berner Juras verlief der Urnengang nicht korrekt. Am 5. November 2018 erklärt sie die Abstimmung für ungültig. Die Projurassier ziehen den Entscheid umgehend ans bernische Verwaltungsgericht weiter. Dessen Urteil wird aller Voraussicht nach ein Fall fürs Bundesgericht. (SDA)

 

«Die Jurafrage ist abgeschlossen»: Mit diesen Worten kommentierte die Berner Regierung am 18. Juni 2017 das knappe Ja von Moutier zu einem Kantonswechsel. Doch der Jura-Konflikt brodelt weiter - ein Konflikt, der seinen Ursprung im Jahr 1815 hat.

Wie entstand der Konflikt?

«Erklärung des Wiener Congresses vom 20. März 1815 über die Angelegenheiten der Schweiz»: So heisst das Dokument, das am Anfang des Konflikts steht. Sieben Bezirke des Bistums Basel werden darin dem Kanton Bern zugesprochen: Pruntrut, Delsberg, Freiberge, Moutier, Courtelary, Neuenstadt und Laufen.

Bald kommt es zu Spannungen. Die Bevölkerung dieser Gebiete fühlt sich von den gnädigen Herren in Bern vernachlässigt.

Chronologie der Jurafrage

  • In den 1950er-Jahren wird der Protest lauter. Separatisten drängen auf eine Volksbefragung in den sieben jurassischen Wahlkreisen. Ihre Initiative wird von den bernischen Stimmberechtigten abgelehnt.
     
  • Für Bern ist das Thema damit erledigt. Doch es kommt immer wieder zu Demonstrationen und zusehends auch zu gewaltsamen Zwischenfällen. «Der Jura den Jurassiern» lautet die Parole.
     
  • 1970 ergänzt der Kanton Bern seine Verfassung und macht so den Weg frei zu mehreren Jura-Plebisziten. Der Nordjura löst sich von Bern, seit 1979 gibt es den Kanton Jura.
     
  • Die drei südjurassischen Bezirke Courtelary, Moutier und Neuenstadt stimmen hingegen zweimal für den Verbleib beim Kanton Bern. Auch das Städtchen Moutier sagt mehrmals Ja zu Bern, wenn auch nur knapp. Dass der Jura-Konflikt nun beigelegt wäre, erweist sich als Trugschluss: Separatisten im Süden kämpfen unbeirrt weiter für eine«Wiedervereinigung» mit dem Norden.
     
  • In den 1980er-Jahren kommt es zu gewaltsamen Zusammenstössen zwischen Projurassiern und Berntreuen, Bomben- und Brandanschlägen. 1993 stirbt der Separatist Christophe Bader bei einem versuchten Bombenanschlag in Bern.
     
  • Ab den 1990er-Jahren setzt sich der Bund verstärkt für eine Lösung ein. Der Kanton Bern seinerseits ergänzt die Kantonsverfassung und billigt dem Berner Jura eine «besondere Stellung» zu.
     
  • Schliesslich schafft er ein Sonderstatut für den Berner Jura und Welschbiel. Die Gebiete erhalten eine beschränkte Autonomie im Schul- und Kulturbereich. Doch der Kanton Jura und die Projurassier im Kanton Bern wollen mehr, sie streben weiter eine Vereinigung an.
     
  • 2012 einigen sich die beiden Kantone unter Federführung des Bundes darauf, dass die Bevölkerung an der Urne über die Zukunft des Berner Juras entscheiden soll. Im November 2013 sprechen sich die jurassischen Stimmberechtigten klar für einen neuen Kanton aus - doch im Berner Jura wird das Projekt deutlich abgelehnt.
     
  • Allerdings gab es in Moutier eine Mehrheit für den neuen Kanton. Das Städtchen darf daher - wie vorgängig vereinbart - nochmals abstimmen - und entscheidet sich am 18. Juni 2017 mit knapper Mehrheit für den Wechsel zum Jura. Nur: Aus Sicht der Regierungsstatthalterin des Berner Juras verlief der Urnengang nicht korrekt. Am 5. November 2018 erklärt sie die Abstimmung für ungültig. Die Projurassier ziehen den Entscheid umgehend ans bernische Verwaltungsgericht weiter. Dessen Urteil wird aller Voraussicht nach ein Fall fürs Bundesgericht. (SDA)

 

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