Quietschig, wie die Tochter von Rizzo, der Ratte aus der «Muppet Show», und einem Gummientchen, so hört sich Jennifer Lopez an, wenn sie lacht. «Hihihi» – Pause zum Luftholen – «Hihihi, aiihhh, thank you», piepst sie in das Mikrofon. Heute ist ihr grosser Abend. Die Ex-Jenny-from-the-Block stellt ihr erstes ernsthaftes Album vor, wie sie es selbst nennt. Sie versucht sich in Spanisch. Eine Wiederentdeckung ihrer lateinamerikanischen Wurzeln. Und wo ginge das besser als in Miami, wo dieser Bevölkerungsanteil höher ist als im Rest der USA. Zwar wirkt das Temple House, eine ehemalige Kirche, auf den ersten Blick weniger wie Puerto Rico und mehr wie eine weisse griechische Villa. Aber immerhin ist dieser Tempel laut Christie’s 17 Millionen Dollar wert und damit das teuerste Anwesen in South Beach, Florida.
Während die geladenen Gäste auf Jennys Auftritt warten, dröhnt Housemusik aus eindeutig überforderten Boxen. Die Kellner, passend zum Ambiente ganz in Weiss gekleidet, verteilen kleine Bestechungsgeschenke – Cocktails, damit keiner merkt, dass Jennifer mittlerweile über eine Stunde zu spät ist. Irgendwann ein erstes Lebenszeichen – in Gestalt von Gemüse-Dips, die von einem der in Weiss gekleideten Boten im Laufschritt durch den Raum getragen werden. Wer sonst als Jennifer bestellt sich backstage sorgfältig klein geschnippelte Karöttchen?
Eines muss man ihr lassen: mit dem Po kann sie wackeln. Oder sollte man besser sagen, dass der Po Jennifer wackelt? Leider wird die Betrachtung ihres Fahrgestells von riesigen Bodyguards beeinträchtigt, und so bleibt am Ende die Frage: Lohnt es wirklich, sich für diesen Hintern zwei Stunden die Beine in den Bauch zu stehen? «Hihi ... aiieeehhhh. Haha, hihi», Jenny kichert wie ein Teenager, dem gerade ein verbotenes Wort ins Ohr geflüstert wurde. «Mein Mann ... hihi», giggelt sie immer noch, «wir haben jetzt vier Jahre an diesem Projekt gearbeitet.»
Ziemlich still, ziemlich zierlich und dünn wirkt der dritte Ehemann, Marc Anthony, an ihrer Seite. Die meisten Lateinamerikaner sind seinetwegen gekommen. Er ist in Südamerika der Mega-Star und für Jennifer das Karriere-Sprungbrett, um sich dort zu etablieren. Richtig zur Geltung kommt auf dem gerade mal kniehohen Podest im Temple jedenfalls nur Jennifer. Marc Anthony macht einen auf First Lady, repräsentativ unscheinbar. Während sie spricht, rollt sich rechts auf der Bühne eine grosse Leinwand aus, und eine Sekunde später dröhnt wieder Musik aus den kleinen Boxen. Ein neues Video: die einsame Jennifer fährt im Auto durch Südamerika. Ob es nun ein Zufall war oder die Techniker einfach keine Lust mehr hatten, JLos quietschigen Dankesbekundungen zuzuhören – sie drehten ihr mitten im Satz das Mikro runter.
Inzwischen hat die Jenny im Musikvideo anscheinend die Lust verloren, motorisiert durch die Wüste zu donnern. Sie steigt aus, läuft auf Stilettos die Wüstenstrasse entlang. Und ihr Auto, sichtlich enttäuscht, dass sie nicht weiterfährt, explodiert sauer im Hintergrund. Gerade mal die Hälfte des Albums bekamen die Gäste an diesem Abend zu hören. Den Rest gab es dann am nächsten Tag im Mandarin Oriental Hotel in Downtown Miami. Sichtlich ausgeruht und mit vier Stunden Verspätung empfängt Ihre Lateinische Majestät die Interview-Bittsteller, mit dem gleichen quietschigen Lachen, das heute nur halb so schlimm klingt, wie am Vorabend durchs Mikrofon.
«‹Como Ama Una Mujer› aufzunehmen war pure Leidenschaft ... you know», sagt Jennifer. «Ich bin an einem Punkt in meiner Karriere angekommen, an dem ich mich gefragt habe, was ich wirklich möchte ... you know.» Was Jenny from the Block wirklich wollte, war Spanisch-Unterricht zu nehmen. Denn Lateinamerikaner haben es gar nicht gern, wenn berühmte Sängerinnen ihre Sprache nicht können, aber in ihr trotzdem ein Album aufnehmen.
Von Mama Lopez wurde die gebürtige New Yorkerin mit den puerto-ricanischen Wurzeln extra auf eine englischsprachige Schule geschickt, damit sie es einmal besser habe. Eine katholische Mädchen-Anstalt. Was Mama dann nicht vorausplante war die Beziehung zu Sean Combs alias P Diddy oder auch Puff Daddy. Nach JLos erfolgreichem Debüt-Album «On the 6», benannt nach einer New Yorker U-Bahn-Linie, wurden die beiden nach einer Schiesserei in einem Club und anschliessender spektakulärer Verfolgungsjagd verhaftet.
Umso glücklicher ist Mama Lopez nun, dass Jennifer Lopez, nach ihren männlichen Verfehlungen – dem zweiten Ehemann und Tanzlehrer Chris Judd und Knapp-Gatte Ben Affleck – endlich an einen wahren Vorzeige-Schwiegersohn, Latino-Schmachtbolzen Marc Anthony, geraten ist. «Er hat alles, was sich eine Frau wünschen kann», grinst JLo, glücklicherweise diesmal ohne zu kichern. «Er ist ein echter Mann ... you know. Er sagt, wie wir es machen. Und er ist der Erste, bei dem ich das akzeptiere.» Dass er seine Liebste nach vier Jahren Studioarbeit dann als Erstes in die Wüste schickte, um jenes bahnbrechende Video zu drehen, sollte ihr vielleicht zu denken geben.
«Meine Fans setzen grosse Erwartungen in das spanische Album, weil ich Puerto Ricanerin bin ... you know», sagt die New Yorkerin. «Bei den Südamerikanern ist Musik immer grosses Drama und natürlich grosse Gefühle ... you know.» Jennifer, die Drama-Queen – selbst wer nicht des Spanischen mächtig war, konnte diese unterschwellige Botschaft bei der gestrigen Video-Präsentation verstehen. «So leben die Leute in Lateinamerika ... you know», fügt sie hinzu. «Meine Mutter hat mir diese wunderschönen Dinge aus unserer Heimat mitgegeben ... you know.»
Alles ist schön im Jennifer-Lopez-Land, aber halt nur, wenn sie die Gardingen zu ihrem Privatleben öffnet. Die Gerüchteküche kocht, und mittlerweile melden immer mehr Zeitungen, dass es zwischen dem echten Latino und der New-Yorker Latina kriselt. «Nein, wir streiten uns mal. Das macht doch jeder ... you know», lächelt sie. Doch die Presse ist sich einig – Marc Anthony will eine Mini-JLo, nur ist Jennifer angeblich zu beschäftigt, um jetzt schwanger zu werden. Obwohl sie dann doch sagt: «Natürlich wäre ein Kind das Schönste überhaupt.»
Jennifer Lopez zu sein hat halt seinen Preis: «Ich kann die einfachsten Dinge, so wie einfach mal in den Supermarkt fahren, nicht mehr machen ... you know», sagt Jennifer. «Und mache ich es doch, dann fragen sich alle, die am nächsten Morgen die Zeitung aufschlagen, warum ich immer mit Sonnenbrille und Perücke herumlaufe. Wer würde da nicht denken, dass ich eine bescheuerte Diva bin.»
Puerto Ricanerin ist Jennifer jedenfalls noch mindestens bis zum Herbst: «Ich habe Jenny from the Block nicht getötet. Sie hat nur Urlaub gemacht. Das neue Album ist schon fertig», sagt sie.