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Letzte Stimmen werden gezählt
Netanjahu steuert auf Sieg zu

Bei der Parlamentswahl in Israel hat das rechte Lager um Regierungschef Benjamin Netanjahu nach Auszählung fast aller Stimmen deutlich gewonnen. Das berichteten israelische Medien am Mittwoch.
Publiziert: 10.04.2019 um 05:23 Uhr
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Aktualisiert: 10.04.2019 um 09:53 Uhr
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Der amtierende Präsident Benjamin Netanjahu könnte laut Hochrechnung als Wahlsieger hervorgehen.
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Israel hat gewählt! Die Stimmen sind beinahe komplett ausgezählt. Netanjahus rechtskonservativer Likud erhielt demnach 35 von 120 Mandaten, genau so viele wie das Oppositionsbündnis Blau-Weiss von Ex-Militärchef Benny Gantz. Netanjahus Lager rechter und religiöser Parteien kann aber mit einer Mehrheit von 65 der 120 Mandate rechnen. Daher ist davon auszugehen, dass der 69-Jährige erneut mit der Regierungsbildung beauftragt wird und zum fünften Mal Ministerpräsident wird.

Derzeit müssen nach Angaben der Nachrichtenseite «ynet» noch rund 200'000 Stimmen von Soldaten, Diplomaten, Häftlingen, Matrosen sowie Patienten in Spitälern ausgezählt werden. Das Endergebnis werde am Donnerstagabend oder Freitagmorgen vorliegen.

Bis zum 23. April muss Präsident Rivlin entscheiden, wer den Auftrag zur Regierungsbildung erhält. Dies dürfte jedoch früher geschehen. Für diesen Tag ist die feierliche Eröffnungssitzung der 21. Knesset geplant.

Bis Ende Mai wird erwartet, dass die neuen Koalitionspartner ihren Vertrag unterzeichnen. Damit könnte bis Anfang Juni eine neue Regierung ihre Arbeit aufnehmen.

Netanjahu und Gantz feiern beiden den Sieg

Sowohl Netanjahu als auch sein Herausforderer Gantz hatten noch in der Wahlnacht ihren Sieg erklärt. In seiner Siegesrede sprach Netanjahu von einem «unvorstellbaren Erfolg».

Gantz wollte sich am Mittwoch noch nicht geschlagen geben. Er schrieb nach Medienberichten Mitstreitern aus seiner Partei: «Es zeichnen sich zwar dunkle Wolken ab, aber nichts ist endgültig, Bewegungen sind noch möglich, und wir können noch politische Vorstösse unternehmen.»

Man habe den Wählern Hoffnung gegeben, und das Ergebnis von Blau-Weiss sei ein «beispielloser historischer Erfolg», schrieb er den Angaben zufolge.

Die anderen Parteien erzielten lediglich Mandate im einstelligen Bereich. Die strengreligiösen Parteien Schas und Vereinigtes Tora-Judentum kamen jeweils auf acht Mandate. Die Arbeitspartei kam auf nur sechs Sitze, genau wie die arabische Partei Hadasch-Taal.

Die Partei Die Neue Rechte von Erziehungsminister Naftali Bennett und Justizministerin Ajelet Schaked verpasste vermutlich den Einzug in das Parlament. Die ultrarechte Israel Beitenu von Avigdor Lieberman und die Union rechter Parteien erhielten jeweils fünf Mandate.

Kulanu von Finanzminister Mosche Kachlon kam auf vier Mandate, ebenso wie die linke Merez-Partei und die arabische Partei Balad-Vereinigte Arabische Liste.

Beide schliessen Koalition aus

Rechnerisch möglich wäre nach den Ergebnissen auch eine grosse Koalition von Likud und Blau-Weiss. Allerdings hatten sowohl Netanjahu als auch Gantz im Wahlkampf gesagt, sie würden nicht mit dem jeweils anderen in einer Regierung sitzen wollen.

Netanjahu führte zuletzt eine Regierungskoalition mit den rechten und strengreligiösen Parteien an. Die Wahlen waren wegen einer Regierungskrise vorgezogen worden. Ursprünglich waren sie erst für November angesetzt gewesen.

Korruptionsvorwürfe gegen Netanjahu

Netanjahu ist seit 2009 durchgängig im Amt. Er war auch von 1996 bis 1999 Ministerpräsident. Er steht aktuell wegen Korruptionsvorwürfen massiv unter Druck. Israels Generalstaatsanwalt will in drei Fällen wegen Korruption Anklage gegen Netanjahu erheben. Es geht um Bestechlichkeit, Veruntreuung und Betrug.

Vor einer endgültigen Entscheidung, ob der Regierungschef wirklich vor Gericht muss, hat aber noch eine Anhörung zu erfolgen. Netanjahu weist alle Vorwürfe zurück.

US-Präsident Donald Trump will nach der Wahl seinen lange erwarteten Friedensplan zur Lösung des Konflikts zwischen Israelis und Palästinensern präsentieren.

Der Generalsekretär der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO), Saeb Erekat, kritisierte das Wahlergebnis. «Israelis haben dafür gestimmt, den Status quo zu erhalten, was die Besatzung von Palästina angeht», schrieb Erekat auf Twitter. «Prognosen zeigen, dass nur 18 Mitglieder des Parlaments mit 120 Sitzen zwei Staaten in den Grenzen von 1967 unterstützen.» (SDA)

Die Korruptionsvorwürfe gegen Netanjahu

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wurde in vier Korruptionsfällen von der Polizei befragt:

  • Fall 1: Netanjahu und seine Familie sollen in den Jahren 2007 bis 2016 von zwei Geschäftsmännern Zigarren, Champagner und Schmuck im Wert von insgesamt einer Million Schekel (umgerechnet rund 276'000 Franken) angenommen haben. Es handle sich um illegale Schenkungen des Hollywood-Produzenten Arnon Milchan und des australischen Unternehmers James Packer, teilte die Polizei mit. Im Gegenzug soll Netanjahu sich für ein Gesetz stark gemacht haben, das Milchan Steuervergünstigungen in Millionenhöhe verschaffen sollte. Ausserdem habe er ihm dabei geholfen, ein neues US-Visum zu erhalten.
  • Fall 2: Netanjahu soll versucht haben, sich in einem Deal mit einem Medienmogul eine positivere Berichterstattung in der regierungskritischen Zeitung «Jediot Achronot» zu sichern. Im Gegenzug habe Netanjahu Hilfe dabei in Aussicht gestellt, den Einfluss der auflagenstarken Gratiszeitung «Israel Hajom» zu schwächen, die lange als sein Sprachrohr galt.
  • Fall 3: Der Regierungschef war auch in der Affäre um einen millionenschweren U-Boot-Deal mit Deutschland befragt worden, galt aber nicht als Verdächtiger. Ihm wurde vorgeworfen, den U-Boot-Deal gegen den Willen von Militär und Verteidigungsministerium durchgesetzt zu haben. Die Polizei hat erklärt, in dem Fall ausreichend Beweise für Anklagen gegen mehrere Verdächtige zu haben, darunter Vertraute Netanjahus.
  • Fall 4: Netanjahu wird verdächtigt, als Kommunikationsminister dem Telekom-Riesen Bezeq rechtliche Vergünstigungen gewährt zu haben. Im Austausch dagegen soll das zum Konzern gehörende Medium «Walla» positiv über ihn berichtet haben. Der Regierungschef und seine Vertrauten sollen auch Einfluss auf wichtige Ernennungen bei «Walla» genommen haben. Netanjahu gab das Ministeramt 2017 ab. (SDA)

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu wurde in vier Korruptionsfällen von der Polizei befragt:

  • Fall 1: Netanjahu und seine Familie sollen in den Jahren 2007 bis 2016 von zwei Geschäftsmännern Zigarren, Champagner und Schmuck im Wert von insgesamt einer Million Schekel (umgerechnet rund 276'000 Franken) angenommen haben. Es handle sich um illegale Schenkungen des Hollywood-Produzenten Arnon Milchan und des australischen Unternehmers James Packer, teilte die Polizei mit. Im Gegenzug soll Netanjahu sich für ein Gesetz stark gemacht haben, das Milchan Steuervergünstigungen in Millionenhöhe verschaffen sollte. Ausserdem habe er ihm dabei geholfen, ein neues US-Visum zu erhalten.
  • Fall 2: Netanjahu soll versucht haben, sich in einem Deal mit einem Medienmogul eine positivere Berichterstattung in der regierungskritischen Zeitung «Jediot Achronot» zu sichern. Im Gegenzug habe Netanjahu Hilfe dabei in Aussicht gestellt, den Einfluss der auflagenstarken Gratiszeitung «Israel Hajom» zu schwächen, die lange als sein Sprachrohr galt.
  • Fall 3: Der Regierungschef war auch in der Affäre um einen millionenschweren U-Boot-Deal mit Deutschland befragt worden, galt aber nicht als Verdächtiger. Ihm wurde vorgeworfen, den U-Boot-Deal gegen den Willen von Militär und Verteidigungsministerium durchgesetzt zu haben. Die Polizei hat erklärt, in dem Fall ausreichend Beweise für Anklagen gegen mehrere Verdächtige zu haben, darunter Vertraute Netanjahus.
  • Fall 4: Netanjahu wird verdächtigt, als Kommunikationsminister dem Telekom-Riesen Bezeq rechtliche Vergünstigungen gewährt zu haben. Im Austausch dagegen soll das zum Konzern gehörende Medium «Walla» positiv über ihn berichtet haben. Der Regierungschef und seine Vertrauten sollen auch Einfluss auf wichtige Ernennungen bei «Walla» genommen haben. Netanjahu gab das Ministeramt 2017 ab. (SDA)
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