Interview
«Wieder bei den Eltern zu wohnen, macht Spass»

Publiziert: 29.09.2007 um 22:07 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 23:09 Uhr
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Von Dino Kessler
Patrick Fischer (32) ist seit einer Woche zurück bei seinem Stammklub in Zug. Der Zuger lud SonntagsBLICK zu sich nach Hause ein und plauderte aus dem Nähkästchen.

Du bist ein Strahlemann, ein Sonnyboy – einer, der alles deichseln kann. Eine Anekdote dazu: Olympia-Quali-Turnier in Oberhausen 1997. Wir zwei entfernten uns unerlaubt und weit nach Mitternacht aus dem Hotel, um im Ruhrpott den Ausgang zu geniessen. Ich ging damals nur mit, weil ich wusste: Mit dir werde ich niemals erwischt…
Patrick Fischer: Daran kann ich mich noch gut erinnern. Ich selbst ging allerdings nur mit, weil ich dachte, dass mir nichts passieren kann, wenn ein Routinier wie du dabei ist….

Hast du solche Dinger noch öfter durchgezogen?
Ein paar Mal schon. Ich habe offensichtlich meistens Glück gehabt. Ich weiss aber nicht, ob ich nicht schon gesehen und dann aber nicht bestraft wurde.

Warum, weil du so bist, wie du bist?
Vielleicht habe ich mich sehr lieb entschuldigt…

Andere wurden erwischt und es gab einen Riesenwirbel...
Hätte mir auch passieren können. Wenn man jung ist, überlegt man sich in solchen Situationen nicht viel. Ich hatte vielleicht einfach das Glück auf meiner Seite. Vielleicht hilft es auch, dass ich ein positiver und aufgestellter Mensch bin.

Dir scheint fast alles zu gelingen. Nach dem Out in der NHL hast du die Chance, in Russland, der besten Liga Europas, zu spielen. Und davor kannst du dich in der Schweiz aufwärmen…
Wenn ich mich als Hockeyspieler betrachte, sage ich: Ich bin ein guter Spieler, aber kein absoluter Ausnahmekönner. Ich habe durch meine Art viel erreicht. Ich bin zwar offen und gehe aktiv auf die Leute zu. Aber wenn etwas nicht stimmt, dann spreche ich das an und versuche eine Lösung zu finden. Das klappt aber nur, wenn die Leute dies akzeptieren. Aber ich kann auch zum Rebellen werden, wenn es sein muss. Meine Art wurde auf jeden Fall immer geschätzt.

Auch in Phoenix?
In der Mannschaft auf jeden Fall. Ich war sofort akzeptiert und beliebt.

Wie das?
Ich denke, dass man mich auch aufgrund meines Charakters geholt hat. Weil ich viel in ein Team investiere und hilfsbereit bin. Wenn man gibt, bekommt man später auch etwas zurück. Das ist die Seite, die ich von meiner Mutter geerbt habe. Sie ist sehr offen und kommunikativ.

Apropos Mutter: Du lebst jetzt wieder bei deinen Eltern?
Ja, das ist korrekt. Wir haben unsere Wohnung in Hünenberg im Sommer verkauft. Wieder bei meinen Eltern zu wohnen, macht Spass. Ich merke immer mehr, wie viel ich von meinen Eltern in mir habe. Die Seite meiner Mutter habe ich schon erwähnt.

Und Vater Walter?
Von dem habe ich das selbstbewusste Auftreten und die Präsenz. Alles in allem bin ich schon ein komischer Mix…

Warum habt ihr eure Wohnung verkauft?
Meine Frau Mara und ich stecken in der Scheidung. Im November läuft die Bedenkfrist ab, dann wird die Scheidung vollzogen.

Eine schlimme Erfahrung? Da ist ja auch noch Sohn Kimi...
In diesem Fall wars gar nicht schlimm. Wir waren einmal beim Anwalt und das wars. Wir verstehen uns immer noch sehr gut und sehen uns oft. Kimi hat den Sommer mehrheitlich bei mir in Zug verbracht. Mara und ich haben uns auseinandergelebt und eingesehen, dass wir beide das gleiche wollen. Ich denke, das ist auch für Kimi eine akzeptable Lösung. Er lebt jetzt mit Mara
wieder im Tessin. Aber die Verhältnisse sind absolut friedlich und herzlich.

Wie oft siehst du deinen Sohn?
Sehr viel. Am Mittwoch war ich in Lugano, als Kimi sein erstes Training bei den Bambini absolviert hat. Am Wochenende ist er hier bei uns in Zug.

Wie alt ist Kimi jetzt?
Er wird am 14. Oktober sechs. Das solltest du als Beinahe-Götti eigentlich wissen…

Sorry. Wird Kimi Sportler wie sein Vater?
Das kann man jetzt noch nicht sagen. Uns war es einfach wichtig, dass er früh Kontakt zu anderen hat. Dabei ist der Mannschaftssport mit seinem sozialen Umfeld sehr wichtig.

Welche Erwartungen setzt du in die sechs Wochen beim EV Zug?
Darüber habe ich lange mit Coach Sean Simpson diskutiert. Er kennt mich seit Urzeiten. Mit der Mannschaft möchte ich natürlich so viele Spiele wie möglich gewinnen. Für mich persönlich ist es wichtig, eine gute Form für Russland aufzubauen.

Du hast in der vierten Linie begonnen…
Das war optimal. Man darf nicht vergessen, dass ich überhaupt keine Spielpraxis habe. Für mich sind die sechs Wochen bis Russland ja die eigentliche Saison-Vorbereitung. Da gilt es, Schritt für Schritt zu machen. Ausserdem setzen mir im Moment noch die Zeitumstellung und der ganze Rummel wegen der Rückkehr zu.

Hast du dir schon Gedanken über St. Petersburg gemacht?
Ich verfolge die Resultate, spreche ab und zu mit Coach Barry Smith. Er war in Phoenix Assistenztrainer. Ein guter, sehr erfahrener Typ. Und die Stadt kenne ich von der WM 2000 noch.

Die Eindrücke?
Die Schönheit und den geschichtlichen Hintergrund habe ich einigermassen mitbekommen. Aber eine WM ist keine Kulturreise.

Und sportlich?
Mir wird das Eishockey der Russen mehr zusagen als jenes in der NHL. Dort hat mich das Rundherum und die Atmosphäre mehr beeindruckt. Aber in Russland gibts mehr Raum und Zeit für technisches Hockey. Das ist mehr nach meinem Geschmack, schliesslich bin ich mit dem europäischen Hockey aufgewachsen – aber das ist eine rein persönliche Wahrnehmung.

Warum tust du dir Russland an? Du hättest auch in der Schweiz viel Geld verdienen können. Und das wäre doch bequemer. Nur schon die langen Reisen in Russland werden anstrengend sein.
Der Präsident von SKA St. Petersburg (Alexander Medwedew, die Red.) ist einer der reichsten Männer Russlands. Das Team hat eigene Flugzeuge, eine moderne Infrastruktur und hohe Ziele. Und ich bin einfach ein Typ, der in der Welt herumkommen und andere Kulturen kennen lernen will. Aber auch die Herausforderung an und für sich ist reizvoll.

Dass du jetzt beim EVZ quasi die Vorbereitung für Russland absolvieren kannst, ist eigentlich auch wieder ein Glücksfall.
Klar. Müsste ich ohne Spielpraxis nach Russland, würde ich wahrscheinlich nach einer Partie in einem Paket in die Schweiz zurück geschickt. Jetzt ist die Situation perfekt, ich habe genug Zeit, mich für das Abenteuer St. Petersburg fit zu machen. In Russland bin ich einer von fünf Ausländern, die um vier Plätze kämpfen. Das sind schon andere Bedingungen.

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