«Ich will kein dummer Fussballer sein»

Publiziert: 26.05.2007 um 20:36 Uhr
|
Aktualisiert: 06.09.2018 um 19:44 Uhr
Von Sandro Compagno
Mario Cantaluppi (33) kann morgen zum dritten Mal den Schweizer Cup gewinnen. Ausgerechnet gegen seine alte Liebe, den FC Basel. «Lupo» über den Cup, über Transfergerüchte und die Sorge, als dummer Fussballer abgestempelt zu werden

Mario Cantaluppi, Sie haben den Termin dieses Interviews so gesetzt, dass Sie anschliessend noch mit Ihren Kindern etwas unternehmen können. Sind Sie ein moderner Vater?
Mario Cantaluppi:
Natürlich, sonst läuft einem die Frau davon. Ich kümmere mich gerne um die Kinder. Im Gegensatz zu anderen Vätern in sogenannt «normalen» Berufen habe ich als Profisportler auch genug Zeit dazu. Nachher gehe ich mit ihnen an den See.

Am Montag stehen Sie im Cup-Final. Am Samstag darauf feiern Sie die grosse Hochzeitsparty, nachdem Sie Ihre Frau Marea im März geheiratet haben. Wie würden Sie Ihre Zufriedenheit auf einer Skala von 1 bis 10 bewerten?
Bei 10. Ich glaube, viel zufriedener kann man gar nicht sein. Ich bin glücklich, mit mir und meinem Leben im Reinen. Es gab Zeiten, in denen ich mich hinterfragt habe: Wo stehe ich jetzt? Wo möchte ich sein? Habe ich erreicht, was ich wollte? Heute bin ich bin absolut glücklich.

Auch sportlich?
Ja, es ist gut gelaufen in dieser Saison, von zwei, drei Punkten abgesehen...

Konkret?
Das 1:6 gegen GC und das 1:4 in Aarau. Das sind Dinge, die nicht passieren dürfen.

Sie sagen, es habe Zeiten
gegeben, da Sie sich hinterfragten. Heute stehen Sie im Herbst Ihrer Karriere. Wäre mehr drin gelegen?

Mit 26 Jahren hatte ich eine schwere Knöchelverletzung. Wenn der Knorpel in meinem linken Fussgelenk beschädigt gewesen wäre, hätte ich mit Fussball aufhören müssen. Angesichts der Sportinvalidität, die mir damals drohte, bin ich mit dem Erreichten absolut zufrieden. Aber ohne diese Verletzung hätte ich mehr erreicht.

Was hätten Sie getan, wenn Sie mit 26 hätten zurücktreten müssen?
Ich wäre aufgeschmissen gewesen. Ich habe nur eine Bürolehre abgeschlossen, war acht Jahre vom Beruf weg. Was sollte ich da machen?

Wie gross ist die Wahrscheinlichkeit, dass Sie auch nächstes Jahr in Luzern spielen?
Gross, warum?

Es soll Angebote geben, beispielsweise von Xamax.
Das habe ich auch gelesen. Aber das sind Gerüchte. Mir gefällt es extrem hier in Luzern. Wenn wir es schaffen, uns zu entwickeln und weiter zu verstärken, sehe ich keinen Grund, Luzern zu verlassen. Aber ich will nicht ein, zwei Jahre weiter in der unteren Tabellenhälfte «umechüngele» und dafür noch Kritik einstecken.

Haben Sie die Kritiken als ungerecht empfunden?
Ich habe mit der Zeit ja gar keine Zeitungen mehr gelesen, aber von Teamkollegen hören müssen: «Jawoll, du bist wieder drangekommen.» Im Februar und März hatten wir eine Super-Phase. Dann sind wir wieder in den alten Trott gefallen. Das lag auch an den Umständen: Gerry Seoane, der mir viele Freiheiten ermöglichte, hat sich verletzt. Auch Makanaki. Mauro Lustrinelli hat nicht so eingeschlagen, wie wir es uns erhofft hatten. Das darf man, glaube ich, so sagen. Ich habe meine Leistung auch nicht gebracht. Aber am Schluss wurde immer ich kritisiert.

Sie sind ein Führungsspieler. Da ist es doch logisch, dass man Sie kritisiert, wenn es nicht läuft.
Logisch, aber nicht immer gerecht. Wenn beispielsweise Thun, das nur hinten reinsteht, gegen mich einen Manndecker ansetzt und dann von meinen Mitspielern, die dadurch ja mehr Freiheiten erhalten, auch nichts kommt, dann sieht man einfach, wie durchsichtig wir sind. Oft musste ich dann als Sündenbock herhalten. Aber die Endrechnung geht auf: Wir haben die Liga gehalten, wir stehen im Cup-Final und haben Chancen auf den Europacup.

Es gibt zwei Seiten des Mario Cantaluppi. Es gibt den Fussballer, die Nummer 6, die den Laden beim FCL zusammenhält und das Spiel ankurbelt. Es gibt aber auch den Hitzkopf Cantaluppi, der sich provozieren lässt, manchmal auch die Kontrolle verliert.
Darüber rege ich mich ja selber auf! Ich bin mittlerweile in einem Alter, in dem ich über der Sache stehen sollte. Aber das kommt oft einfach über mich. Ich bin im Sternzeichen Widder und habe einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.

Im Februar in Basel sahen Sie Gelb-Rot, weil Sie Reto Zanni in den Hintern treten wollten...
Ich habe mich geärgert, dass ich mich von einem
limitierten Fussballer wie Zanni provozieren liess. Das darf mir nicht mehr passieren. Es gibt ja auch ein Leben abseits des Fussballplatzes, und wenn ich nicht aufpasse heisst es bald einmal: «Der Cantaluppi kann sich nicht kontrollieren.» Das ist gefährlich. Ich muss vorsichtig sein, dass ich nicht plötzlich als «dummer Fussballer» dastehe.

Sie stehen sich manchmal selbst im Weg.
Das ist so, ja. Wenn ich die Konzentration und
die Sachlichkeit verliere. Ich habe mir mein Leben manchmal schwer gemacht. Aber ein Hitzkopf zu sein, ist ja nicht nur negativ. Es braucht in einer Mannschaft Spieler, die Emotionen zeigen.

Wie viel Zeit benötigen Sie, um nach einem Spiel wieder in einen emotionalen Normalzustand zu finden?
Das kann schnell gehen. Nach einem 1:6 gegen GC kann ich zehn Minuten später mit den Leuten sprechen und lachen. Da wurden wir vorgeführt, hatten ganz einfach nicht die Klasse. In solchen Fällen ärgere ich mich nicht lange. Aber beispielsweise nach dem 0:1 in Basel, das absolut unverdient war, da habe ich mich noch zwei Tage lang aufgeregt. Ich hasse es, auf diese Art zu verlieren.

Waren Sie immer so?
Nein, als Kind war ich noch schlimmer. Als E-Junior wurde ich einmal von meinem Vater am Kragen gepackt und vom Spielfeld gezerrt. Tags darauf musste ich mich beim Schiedsrichter entschuldigen.

Sprechen wir über den FC Basel und den Cupfinal.
Für mich ein zweischneidiges Schwert. Einerseits ist es ein Traum-Final, auf den ich mich freue wie ein kleines Kind auf Weihnachten. Als ich nach Luzern kam, durfte ich nicht damit rechnen, nochmals einen Final zu spielen. Andererseits ist es für mich auch eine persönliche Herausforderung. Ich darf nicht zu viel wollen, nicht zu emotional in dieses Spiel steigen.

In der Meisterschaft haben Sie gegen Basel einmal nach 60 Minuten die Arbeit eingestellt, einmal sind Sie vom Platz geflogen. Werden Sie sich am Pfingstmontag im Griff haben?
Garantiert. Natürlich werden sie mich provozieren. Aber wenn ich schon so dumm war und einmal darauf reinfiel, dann sicher kein zweites Mal.

Die Rollen sind klar verteilt.
Keine Frage. Wir sind noch nicht die Mannschaft, die ein Spiel aufziehen kann. Das muss der FCB tun.

Sie waren zwei Spiele gesperrt. Ein Vorteil, weil Sie frisch sind, oder ein Nachteil, weil der Rhythmus fehlt?
Den Rhythmus hole ich mir im Training. Und die Pause hat mir gut getan nach diesen vielen Spielen.

Spüren Sie Ihre 33 Jahre?
Wir sind ja nicht die Mannschaft, die «chügelet» und in der jeder seine Position hält. Wir haben auch ein paar «Chaoten» dabei. Da läuft man als Nummer 6 plötzlich zwei Kilometer mehr. Die spüre ich schon.

Was machen Sie am Montagabend, so gegen 22.00 Uhr?
Da halte ich mich an einem Glas Bier fest. Egal, was passiert – entweder aus Freude oder um den Frust herunterzuspülen.

PERSÖNLICH
Name: Cantaluppi
Vorname: Mario
Geburtstag: 11. April 1974
Sternzeichen: Widder
Zivilstand: Verheiratet
mit Marea; drei Kinder:
Jeremy (8), Lia (5) und
Tristan (21/2)
Beruf: Fussball-Profi. Abgeschlossene Bürolehre.
Karriere: GC (1982–93),
Basel (1993–96), Servette (1996–98), Basel (1998–2004), Nürnberg (De/
2004–06), Luzern
(seit 2006).
Grösste Erfolge: Meister mit Basel (2002, 2004, 2005), Cupsieger mit Basel (2002, 2003). Champions-League-Zwischenrunde 2002/03 mit Basel. 23 Länderspiele.
Hobbys: «Keine mehr. Mit den Kindern spielen.»
Name: Cantaluppi
Vorname: Mario
Geburtstag: 11. April 1974
Sternzeichen: Widder
Zivilstand: Verheiratet
mit Marea; drei Kinder:
Jeremy (8), Lia (5) und
Tristan (21/2)
Beruf: Fussball-Profi. Abgeschlossene Bürolehre.
Karriere: GC (1982–93),
Basel (1993–96), Servette (1996–98), Basel (1998–2004), Nürnberg (De/
2004–06), Luzern
(seit 2006).
Grösste Erfolge: Meister mit Basel (2002, 2004, 2005), Cupsieger mit Basel (2002, 2003). Champions-League-Zwischenrunde 2002/03 mit Basel. 23 Länderspiele.
Hobbys: «Keine mehr. Mit den Kindern spielen.»
JA ODER NEIN?
Ich könnte mir vorstellen, in Luzern alt zu werden: JA

Der Basler Frust nach dem verpassten Meistertitel ist ein Vorteil für uns: NEIN

Ciriaco Sforza hat auch als Trainer das Zeug zum Weltstar: JA

Ich liebe es, auf Kunstrasen zu spielen: NEIN

Ich werde gegen Basel wieder ausflippen: NEIN
Ich könnte mir vorstellen, in Luzern alt zu werden: JA

Der Basler Frust nach dem verpassten Meistertitel ist ein Vorteil für uns: NEIN

Ciriaco Sforza hat auch als Trainer das Zeug zum Weltstar: JA

Ich liebe es, auf Kunstrasen zu spielen: NEIN

Ich werde gegen Basel wieder ausflippen: NEIN
Fehler gefunden? Jetzt melden