Sie ist Politikerin, er Chirurg. Sie ist 31, er 57. Im SIE+ER-Interview erzählen FDP-Nationalrätin Christa Markwalder und ihr Gatte Walter Bär, was sie voneinander lernen, warum der Altersunterschied vieles einfacher macht und wie sie ihre Zukunft sehen
Von Christian Dorer und Patrik Müller
SIE+ER:Wir sitzen hier in Ihrem Salon. Wer von Ihnen hat das Haus eingerichtet?
Christa Markwalder: Wir wohnen nun seit einem Jahr in diesem Haus – es ist das Haus meiner verstorbenen Grossmutter. Vieles haben wir gemeinsam ausgesucht. Walter hat das bessere Auge fürs Ästhetische, ich fürs Praktische. Und diese Bilder dort hat Walter gemalt.
Walter Bär: Das ist meine kreative Seite. Ich male aber nur für den Eigengebrauch.
SIE+ER: Haben auch Sie, Frau Markwalder, eine künstlerische Ader?
SIE: Ich liebe klassische Musik und spiele seit meiner Kindheit Cello. Mit dem Orchesterverein Burgdorf und mit unserem Streichquartett geben wir regelmässig Konzerte.
ER: Die Proben sind dir heilig!
SIE: Ich brauche die Musik als Ausgleich. Ich muss mich da zwar auch konzentrieren, aber es ist etwas ganz anderes als
Aktenlesen oder Texte schreiben. Andere gehen joggen, um den Kopf zu lüften – ich spiele Cello.
SIE+ER: Sie sind Ehefrau, Nationalrätin, Juristin, Bewohnerin eines Einfamilienhauses – und das mit 31 Jahren. Geht das nicht alles etwas schnell?
SIE: Ich habe meinen Weg nicht geplant, weder im Studium noch in der Politik. Alles hat sich Schritt für Schritt ergeben. Sicher, als ich 1999 hier in Burgdorf ins Stadtparlament nachrutschte, hat mich das Polit-Virus befallen. Es war mein Traum, Nationalrätin zu werden. Ich dachte, dafür hart zu arbeiten lohnt sich. Ich hatte Glück, geniesse es, weiss aber auch, dass es nicht unbedingt so weitergehen muss. Walters Beruf führt mir das oft vor Augen, er sieht jeden Tag Menschen, die unglaubliche Schicksalsschläge erlitten haben.
ER: Ich habe mit vielen Menschen zu tun, deren Leben sich mit einem Donnerschlag verändert hat. Das Schöne an meinem Beruf ist, dass man heilen kann. Manchmal kann man aber mit einer Operation auch nur die Lebensqualität für die verbleibende Zeit verbessern. Wenn ich mir gewisse Schicksale vergegenwärtige, bin ich sehr dankbar, dass es uns so gut geht.
SIE: Wir leben deshalb vielleicht anders und geniessen den Moment. Und haben unser Leben nicht auf 20 Jahre hinaus verplant.
ER: Wir denken mehr in Jahresschritten. Dank meines Berufes weiss ich wichtige von unwichtigen Dingen zu unterscheiden.
SIE: Diese Lebensphilosophie habe ich von dir gelernt: Dinge dort einzuordnen, wo sie hingehören. In der Politik ist das extrem wichtig, denn man wird manchmal ungerechtfertigt kritisiert und angegriffen. Dank Walter habe ich eine gewisse Gelassenheit entwickelt.
SIE+ER: Sie haben sich 1997 kennen gelernt. Wie ging das genau?
ER: Ich hatte Besuch von einem Arztkollegen von Sylt, und der wollte unbedingt in den Ausgang. Also ging ich mit ihm an einem lauen Sonntagabend in die Dezibel Bar in Burgdorf. Dort war aber nichts los.
SIE: Es fand ein Geburtstagsapéro statt, eigentlich war die Bar noch geschlossen.
ER: Die junge Frau hinter der Bar hat uns dennoch bedient…
SIE: Ich war Studentin und arbeitete nebenbei im Dezibel. Anstatt im Ausgang viel Geld auszugeben, stand ich damals lieber hinter der Theke. Walter hatte ich zuvor nie gesehen.
ER: Wir plauderten miteinander, und das war ganz spannend.
SIE+ER: Sie haben sich gleich verliebt?
SIE: Nein, nein. Die beiden Ärzte kamen einfach jeden Abend wieder in die Bar.
ER: Mein Kollege drängte darauf. Er war im Gegensatz zu mir ein richtiger Bar-König.
SIE: Und dann hat sich das eben so ergeben.
SIE+ER: Einfach so?
ER: Ich musste schon etwas baggern (lacht).
SIE: Stimmt! Du hast mich jeden Abend mehr fasziniert, wir hatten sensationelle Diskussionen. Der Altersunterschied liess mich am Anfang zögern. Ich fragte mich: Kann so etwas gut gehen?
SIE+ER: Das Herz sagte ja, der Kopf nein?
SIE: Ich stand damals mitten im Studium, Walter war Chefarzt am Bezirksspital. Das sind zwei völlig andere Lebenssituationen. Ich überlegte mir schon, ob das zusammenpasst.
ER: Bei mir wars ähnlich. Doch als wir uns besser kennenlernten, war das Alter plötzlich kein Thema mehr.
SIE+ER:In Burgdorf wurde bestimmt getuschelt.
ER: Ja sicher, aber das hat uns nicht interessiert.
SIE: Wir dachten: Lass sie schwatzen, die werden dann schon wieder ein neues Gesprächsthema finden. Und tatsächlich sagten alle Leute, die Walter kennenlernten: Der ist ja ganz umgänglich, sympathisch.
ER: Viele hatten das Klischee eines Mannes in der Midlife-Crisis vor Augen, das sie dann revidieren mussten.
SIE+ER: Was sagten Ihre Kollegen?
ER: So so, jetzt hast du eine junge Chica (lacht)! Dieses Gerede verstummte, nachdem sie Christa das erste Mal getroffen hatten. Dann merkten sie: Das ist eine spannende, intelligente Frau und kein Teenie.
SIE+ER: Frau Markwalder, Ihre Eltern sind etwa gleich alt wie Ihr Mann…
SIE: Zum Glück etwas älter. Am Anfang reagierten sie schon skeptisch, und das begreife ich auch – was macht denn unsere Tochter schon wieder?! – Aber innert Kürze wurden Walter und meine Eltern zu besten Freunden.
SIE+ER: Und was sagten Ihre Kinder, Herr Bär?
ER: Sie sind heute 28 und 25 Jahre alt und haben Christa von Beginn weg ins Herz geschlossen. Sie waren froh, dass ich – nachdem ich eine Zeit lang allein gelebt hatte –wieder jemanden an meiner Seite hatte.
SIE+ER: Sie stehen in ganz unterschiedlichen Lebensphasen: Bei Ihnen, Herr Bär, ist die Pensionierung absehbar, und Sie, Frau Markwalder, starten gerade Ihre Karriere.
ER: Das erleichtert vieles. Ich habe mich in meinem Beruf etabliert und geniesse
heute viele Freiheiten, weil ich selbständig als Chirurg tätig bin. Würden wir beide an unseren Karrieren schleifen, gäbe es viele Reibungsverluste.
SIE: Früher hast du immer wieder gezügelt, warst mal in Zürich tätig, in Schaffhausen, im Rheintal und schliesslich im Bernbiet. Für eine Politikerin wäre eine solche Tour de Suisse schwierig – denn es gibt keine sesshafteren Menschen als Politiker.
SIE+ER: Warum haben Sie geheiratet?
SIE: Wir haben sechs Jahre im Konkubinat zusammengelebt, aber es war für uns immer klar, dass wir heiraten würden.
ER: Die Ehe ist etwas Wertvolles, man gehört auf eine verbindlichere Art zusammen.
SIE: Wir wollten auch signalisieren, dass wir nicht nur aus einer Laune heraus zusammen sind und später dann finden: So, das wars jetzt, tschüss.
SIE+ER: Ein Bekenntnis gegen aussen?
SIE: Das war sicher nicht der Hauptgrund. Garantien gibt es auch in einer Ehe nicht, das weisst du, Walter, noch besser als ich. Es kann auch schief gehen.
SIE+ER: Können Sie sich vorstellen, Kinder zu haben?
SIE: Darüber reden wir lieber zu zweit als öffentlich. Im Moment sind wir beide sehr beschäftigt.
ER: Unser Berufsleben ist intensiv, und wenn man kleine Kinder hat, muss man sich ihnen widmen können. Das wäre zur Zeit schwierig.
SIE+ER: Wären denn Kinder mit Ihrem Beruf vereinbar, Frau Markwalder?
SIE: Meine Kolleginnen im Nationalrat machen ja vor, dass es möglich ist. Sicherlich müsste ich die Prioritäten anders setzen und könnte nicht mehr so viele Termine wahrnehmen.
ER: Zumindest so lange bis die Kinder selbständig sind.
SIE+ER: Herr Bär, wo standen Sie im Leben, als Sie 30 waren?
ER: Ich war Oberarzt in Schaffhausen und habe gearbeitet, gearbeitet, gearbeitet. Diese Erfahrung gab mir Sicherheit und Erfahrung, wovon ich bis heute profitiere.
SIE+ER: Hatten Sie auch eine wilde Phase?
ER: Das war früher, im Gymi. Ich war
Gitarrist in einer Band. Zusammen fuhren wir mit 100 Franken ins Tessin, wohnten im Ferienhaus einer Verwandten, spielten in Ascona und Locarno. Wir setzten uns zum Ziel, von Auftritten zu leben und mit mindestens 100 Franken wieder heimzufahren – was wir auch schafften.
SIE+ER: Sind Sie immer mit Ihrer Frau einverstanden?
SIE: Ja! (lacht)
ER: Zu 99,9 Prozent schon.
SIE: Jetzt übertreibst du aber!
ER: In den grossen Fragen sind wir uns einig. Vieles ergibt sich durch Diskussionen, die wir häufig bis spät in die Nacht führen, und zwar so richtig kontrovers.
SIE+ER: Haben Sie Ihren Mann vom EU-Beitritt, Ihrem wichtigsten Dossier, überzeugt?
SIE: Mehr noch: Ich habe ihn gleich zum Mitglied der Neuen Europäischen Bewegung gemacht, als ich deren Präsidentin wurde.
ER: In der Europafrage haben wir keine Differenzen. Ich bin in Burgdorf auch der FDP beigetreten und seit 2004 Mitglied des Stadtparlaments. Ich war im Kanton St. Gallen schon Mitglied der FDP, der Liberalismus entspricht meiner Philosophie.
SIE+ER: Können Sie sich vorstellen, Bundesratsgatte zu sein?
SIE: Sag Nein!
ER: Vorstellen schon, aber wünschen? Da müsste ich schon sehr zurückstecken.
SIE: Ein Privatleben gäbe es dann kaum.
SIE+ER: Wird es nicht langweilig, zu Hause ständig über Politik zu sprechen?
SIE: Wir tauschen uns oft und gern über unsere Berufe aus. Ich verstehe aber weniger von deinem als du von meinem.
ER: Das stimmt doch nicht!
SIE: Walter zeichnet mir manchmal nach einer schwierigen Operation auf, was er gemacht hat. Ich habe ihm auch schon beim Operieren zugeschaut.
SIE+ER: Warum?
SIE: Weil es mich interessiert! Ich habe für die Jungfreisinnigen einmal einen Besuch in Walters Operationssaal organisiert. Die Operation verlief für uns ziemlich gruusig, weil du an einem Ellbogen etwas abmeisseln musstest.
ER: Das war ein ganz banaler Eingriff! Aber an die Geräusche muss man sich halt erst gewöhnen.
SIE+ER: Stört es Sie, Herr Bär, dass Ihre Frau im Rampenlicht steht und Sie in der Öffentlichkeit bloss als Anhängsel wahrgenommen werden?
ER: Ich geniesse das!
SIE: Du freust dich sogar mehr als ich, wenn ich angesprochen werde.
ER: Ich bin der Bär hinter der Markwalder, sag ich jeweils. Dank Christa habe ich viele spannende Begegnungen, was mir als offenem Menschen gefällt. Ich diskutiere auch gern mit ihren Kolleginnen und Kollegen. Aber in der Öffentlichkeit halte ich mich im Hintergrund. Auch so ein Interview ist aussergewöhnlich.
SIE+ER: Ist es nicht lästig, dass Ihre Frau so viel los hat?
ER: Ich habe ja auch viel los. Eine Beziehung ist doch die Schnittmenge zweier Kreise, die beide Leben darstellen. Je grösser diese Kreise, desto spannender die Schnittmenge, die Beziehung: Wenn Christa von der Wahlbeobachtung aus der Ukraine zurückkommt, ist es für mich unglaublich spannend, ihr zuzuhören. Oder umgekehrt, wenn ich von einem Kongress zurückkehre.
SIE+ER: Möchten Sie denn nicht mehr Zeit mit Ihrer Frau verbringen?
ER: Das Schlimmste wäre eine Medizinerin als Frau oder eine Krankenschwester, die am Ende noch im selben Spital arbeitet. Jesses Gott! Ein Albtraum!