Seit viereinhalb Jahren ist Larissa Caviezel (†27 ) tot. Sie starb bei einem frontalen Crash mit dem Audi Q5 des Italieners Luca M. (41) am Morgen des 18. Januar 2017. Noch immer hat der geständige Unfallverursacher keinen Tag seiner Strafe abgesessen. Der Vater von zwei Töchtern akzeptiert das Urteil des Regionalgerichts Imboden in Ems GR nicht.
Am Dienstag ist er vor dem Kantonsgericht Graubünden in Chur GR erneut auf die Schwester und die Eltern der tödlich verunglückten Motorradfahrerin getroffen. Noch immer sieht er nicht ein, dass er mit seinem halsbrecherischen Überholmanöver den Tod eines Menschen in Kauf genommen hatte.
Joints als Schlafmittel
Vor Gericht tritt er selbstsicher auf. Er behauptet neu, dass er die Gefahr seines regelmässigen Cannabis-Konsums nicht gekannt habe. «Ich habe jeweils am Abend einen Joint geraucht, damit ich schlafen kann. Es war rein medizinisch. Dass ich nicht mehr fahrfähig bin, wenn ich drei Joints pro Woche rauche, wusste ich nicht.»
Dass er willentlich den Tod von Larissa Caviezel in Kauf genommen hatte, streitet er ab. Er habe den Roller so spät gesehen, dass er keine Chance gehabt hätte. Er sagte bei der Befragung vor dem Kantonsgericht, dass hinter dem Roller ein weiteres Auto gefahren sei und er wegen dessen Lichter die Distanz darum falsch eingeschätzt habe.
«Das kann jedem jungen Herrn passieren»
Dass er in seinem Leben jetzt bereits mehrere Unfälle verursacht hatte, darunter auch einer mit Todesfolge, sieht er nicht als Hypothek für sein aktuelles Fahrverhalten. Er sagt: «Die Sachen, die mir passiert sind, können jedem jungen Herrn passieren. Nichts Aussergewöhnliches.»
Die Staatsanwaltschaft zerpflückt die Aussagen des Beschuldigten.
«Der THC-Gehalt im Blut beim Unfall war drei Mal höher als der gesetzliche Grenzwert. Er hat ausgesagt, dass er seit Jahren Cannabis konsumiert. Ich kann nicht glauben, dass er das Risiko noch immer nicht kennt, dass sich der Wirkstoff nur langsam abbaut», so der Staatsanwalt.
Auch an das zusätzliche Auto im Gegenverkehr, das Luca M. gesehen haben will, glaubt der Staatsanwalt nicht. «Das Auto hat sonst keiner der Zeugen gesehen, das ist eine Schutzbehauptung», sagt der Staatsanwalt.
Blindflug
Das Überholmanöver bezeichnet die Staatsanwaltschaft als «Blindflug». «Der Beschuldigte hatte drei Fahrzeuge vor sich, die Sicht war in der Dunkelheit nur 50 Meter. Er fuhr deutlich schneller als 80 km/h, einen Unfall beim Überholen zu verhindern, ist so offensichtlich nicht möglich.»
Die Staatsanwaltschaft plädiert weiterhin auf Tötung mit Eventualvorsatz, qualifizierte grobe Verletzung der Verkehrsregeln und mehrfache Übertretung des Betäubungsmittelgesetzes sowie Fahren in fahrunfähigem Zustand. Die Verteidigung bestreitet den Vorsatz und fordert eine bedingte Freiheitsstrafe.
Schwerer Gang für die Angehörigen
Die Angehörigen von Larissa Caviezel sassen im Zuschauerraum des Gerichts. Sie litten sichtlich, als der Unfall erneut behandelt wurde. Schwester Michaela Schloz-Caviezel sagt zu Blick: «Wir möchten, dass der Unfallverursacher seine Schuld anerkennt und die Strafe annimmt. Er soll für seine Taten die Verantwortung übernehmen. Dann können auch wir irgendeinmal damit abschliessen.»
Die Opferfamilie wurde von Eva Clavadetscher (52), der Leiterin Beratung Verkehrsunfälle der Stiftung RoadCross Schweiz, an den Prozess begleitet. Sie sagt zu Blick: «Wir sind aber klar der Meinung, dass ein Urteilsspruch hart ausfallen darf, sodass der Verursacher die Verantwortung für sein Handeln übernehmen und die Konsequenzen tragen muss. Nur so haben Urteile auch eine präventive Signalwirkung und tragen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit bei.»
Das Kantonsgericht verkündet das Urteil am Freitag um 14 Uhr.
*Name geändert