So unterschiedlich Länder weltweit mit der Corona-Pandemie umgehen, so einig sind sie sich in einem: Es braucht einen wirksamen Impfstoff. Und zwar schnell. Letzten Montag wurden an einer internationalen Geberkonferenz umgerechnet 7,9 Milliarden Franken für die Erforschung eines Impfstoffs gegen Covid-19 gesammelt. Ein wichtiger Schritt, aber noch lange nicht genug.
Die Forschung läuft auf Hochtouren. «Der Druck ist riesig», sagt Daniel Speiser, Mediziner an der Uni Lausanne. «Auch wenn der Austausch unter den Forscherteams, den Start-ups und den Pharmaunternehmen intensiv wie selten ist.»
Über 100 vielversprechende Projekte
Allein die WHO listet über 100 vielversprechende Forschungsprojekte. «Das gibt Anlass zur Zuversicht», meint Lukas Jaggi, Sprecher des Schweizerischen Heilmittelinstituts Swissmedic. Noch sei kaum abzuschätzen, wer das Rennen mache. «Die Zulassungsbehörden können erst entscheiden, wenn sie genügend Informationen haben.» Über Sars-CoV-2 ist noch immer wenig bekannt – ebenso wenig über die Sicherheit und Wirksamkeit potenzieller Impfstoffe.
Der aussichtsreichste Ansatz für ein Impfpräparat kommt aus Oxford (GB). Am dortigen Jenner Institute wurde ein Präparat schon erfolgreich an Rhesusäffchen getestet. Klinische Studien mit Tausenden Probanden sind Ende Mai geplant. Ende Jahr will das Institut 100 Millionen Präparate produzieren.
Schweizer Impfstoff bis Ende Jahr?
Auch hierzulande wird geforscht. Speerspitze hierzulande ist das Team um Immunologe Martin Bachmann am Berner Inselspital: «Im September sollten die klinischen Tests beginnen.» Ähnlich wie das Jenner Institute hofft er auf einen Impfstoff bis Ende Jahr. «Wir sind schnell vorangekommen, weil wir früh mit Kollegen in China in Kontakt standen.»
Bachmanns Präparat besteht aus einer harmlosen Attrappe des Coronavirus. Wird dieses dem Menschen injiziert, reagiert der Körper und produziert Antikörper, die im Falle einer effektiven Infektion schützen sollen. «Bis jetzt waren unsere Tests erfolgreich.»
Zeitdruck für Forschung, Zulassung und Produktion
Immunologe Daniel Speiser geht davon aus, dass ein Impfstoff erst in ein, zwei Jahren vorhanden sein wird – «im Idealfall». Er betont aber: «Das Virus ist vergleichsweise wenig komplex. Es sollte per se nicht allzu schwierig sein, einen Impfstoff zu entwickeln.» Die Herausforderung stelle vielmehr der Zeitdruck für die Forschung und Zulassung sowie die Produktion in grossem Umfang dar. «Normalerweise dauert das zehnmal länger.»
Lukas Jaggi von Swissmedic meint dazu: «Wir räumen der Begutachtungszeit höchste Priorität ein, aber Sicherheit und Qualität eines Impfstoffs gehen vor.» Die gesetzlichen Rahmenbedingungen für eine beschleunigte Zulassung seien in der Schweiz vorhanden. «Möglich ist befristete Zulassung. Wir würden dann Gesuche begutachten, während klinische Studien noch laufen.»
«Internationale Kooperation ist unabdingbar»
Sofern im Ausland eine Zulassung vorliegt oder ein gemeinsames Gesuch eingereicht wird, könne der Prozess auch in der Schweiz beschleunigt werden. Im letzteren Fall wäre Swissmedic bereits mit Australien, Kanada und Singapur in einem Konsortium von mittelgrossen Regulierungsbehörden vertreten. Jaggi: «Internationale Kooperation ist unabdingbar.»
Durch Koordination profitieren die vielen Impfprojekte voneinander. Es ist davon auszugehen, dass am Ende mehrere Präparate auf dem Markt sind. Das ist gut und wichtig, denn der Produktionsbedarf wird immens sein. Sollte eine Person mehrmals geimpft werden müssen – davon gehen einige Experten aus –, dann wären 15 Milliarden Dosen nötig. Eine Firma allein könnte das in absehbarer Zeit kaum stemmen.