So tickt Boris Johnson
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Grossbritanniens neuer Premier:So tickt Boris Johnson

Widerstand gegen No-Deal Brexit-Kurs
Schlappe für Boris Johnsons Tories bei Nachwahl in Wales

Der neue britische Premierminister Boris Johnson hat einen Rückschlag erlitten: Seine konservativen Tories verloren am Donnerstag eine Nachwahl zum Unterhaus in einem Wahlkreis in Wales. Damit reduziert sich ihre Regierungsmehrheit im Unterhaus auf einen Sitz.
Publiziert: 02.08.2019 um 03:50 Uhr
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Aktualisiert: 02.08.2019 um 09:44 Uhr
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Hat bei einer Nachwahl in Wales einen Rückschlag hinnehmen müssen: der neue britische Premierminister Boris Johnson. (Archivbild)

Die ohnehin schon knappe Mehrheit des britischen Premiers Boris Johnson im Parlament in London ist nach einer Nachwahl auf eine einzige Stimme zusammengeschmolzen. Der bisher von den Tories gehaltene Sitz für die Grafschaft Brecon und Radnorshire im Osten von Wales fiel nach Angaben der Agentur PA vom frühen Freitagmorgen an die Liberaldemokratin Jane Dodds. Für Johnson war die Nachwahl der erste Test nach seiner Amtseinführung in der vergangenen Woche.

Ergebnisse in Wales

Der konservative Kandidat Chris Davies unterlag im Wahlkreis Brecon und Radnorshire der Kandidatin der europafreundlichen Liberaldemokraten, Jane Dodds, wie in der Nacht auf Freitag veröffentlichte Ergebnisse zeigen. Dodds holte 13,826 Stimmen, Davies 12'401 Stimmen. Der Kandidat der Brexit-Partei kam auf 3331 Stimmen, während die Arbeiterpartei mit 1680 Stimmen den vierten Platz belegte.

Die Nachwahl war nötig geworden, nachdem der konservative Abgeordnete Davies sein Mandat hatte aufgeben müssen. Er war wegen falscher Abrechnungen verurteilt worden. Davies räumte daraufhin Fehler ein, trat bei der Nachwahl aber erneut für die Tories an.

Der Wahlkreis Brecon und Radnorshire stimmte beim Brexit-Referendum 2016 mit 52 Prozent für einen Austritt aus der Europäischen Union.

Kampfansage an Johnson

Während ihrer Kampagne hatte Dodd vor einem harten Brexit gewarnt, also einem Austritt Grossbritanniens aus der EU ohne Abkommen. Ein solcher würde die Bauern in Wales vermutlich wirtschaftlich hart treffen.

Wahlsiegerin Jane Dodds von den Liberaldemokraten machte in ihrer Siegesrede eine Kampfansage an Premier Johnson. «Meine erste Handlung als Ihre Abgeordnete nach Ankunft in Westminster (Parlament) wird sein, Mr. Boris Johnson zu finden, wo immer er sich verstecken mag, und ihm laut und deutlich zu sagen: Hör auf, mit der Zukunft unserer Kommunen zu spielen, und schliesse einen ungeregelten Brexit jetzt aus!»

Bei der Abstimmung galt die Kandidatin der europafreundlichen Liberaldemokraten als Favoritin. Ihr Sieg erschwert es Johnson zusätzlich, seine Ankündigung umzusetzen, den Brexit bis zum 31. Oktober notfalls auch ohne Abkommen abzuwickeln.

Sitzeverteilung im britischen Parlament

Im Unterhaus haben die Konservativen und ihr Koalitionspartner DUP aus Nordirland jetzt nur noch 320 Sitze, gegenüber 319 Abgeordneten der gesamten Opposition. Damit werde es für Johnson schwieriger, seine Pläne für den bevorstehenden Brexit durch das Parlament zu bringen, schrieb PA. Zudem steige die Wahrscheinlichkeit von kurzfristig angesetzten Wahlen.

Immer mehr Widerstand gegen Boris Johnson und No-Deal-Brexit

Johnson will sein Land am 31. Oktober aus der EU führen - notfalls auch ohne Deal. Er will das zwischen seiner Vorgängerin Theresa May und Brüssel vereinbarte Abkommen nachverhandeln. Das lehnt die Europäische Union aber strikt ab.

Auch in Grossbritannien stösst Johnson mit seinen Plänen inzwischen auf erheblichen Widerstand. Bei seinen ersten Besuchen in Schottland, Wales und Nordirland hat der Premier heftige Kritik von Parteien und auch Demonstranten einstecken müssen. So fürchten viele Landwirte in Wales etwa um EU-Fördergelder im Falle eines Brexits ohne Abkommen, mit dem Johnson der EU immer wieder droht.

Ein No-Deal-Brexit würde die Wirtschaft und andere Lebensbereiche schädigen. Johnson und viele andere Befürworter eines EU-Austritts pochen darauf, den sogenannten Backstop in dem Deal zu streichen.

Diese Garantieklausel soll eine harte Grenze zwischen dem britischen Nordirland und der Republik Irland verhindern. Denn das könnte den alten Konflikt zwischen katholischen Befürwortern einer Vereinigung Irlands und protestantischen Loyalisten wieder schüren. (SDA)

Was ist der Backstop?

Das ursprüngliche Abkommen sieht für Nordirland eine spezielle Zollunion mit der EU vor. Damit sollte eine harte Grenze auf der irischen Insel verhindert werden. Sollte vor dem Austritt Grossbrittaniens aus der EU am 29. März kein Vertrag zustande, kommt der sogenannte Backstop zum Zug.

Die Übergangsmassnahme soll eine harte Grenze auf der Insel verhindern, indem Nordirland teil des EU-Binnenmarktes bliebe.

Doch vor allem dieser Backstop stösst bei Unionisten und Konservativen in England auf Widerstand. Denn mit einem Backstop verliefe die EU-Aussengrenze zwischen Irland und Grossbritannien in der irischen See. Exporte aus England nach Nordirland wären dann nicht mehr so einfach möglich und würde der britischen Wirtschaft schaden.

Größter Streitpunkt der Brexit-Verhandlungen ist der sogenannte Backstop.

Das ursprüngliche Abkommen sieht für Nordirland eine spezielle Zollunion mit der EU vor. Damit sollte eine harte Grenze auf der irischen Insel verhindert werden. Sollte vor dem Austritt Grossbrittaniens aus der EU am 29. März kein Vertrag zustande, kommt der sogenannte Backstop zum Zug.

Die Übergangsmassnahme soll eine harte Grenze auf der Insel verhindern, indem Nordirland teil des EU-Binnenmarktes bliebe.

Doch vor allem dieser Backstop stösst bei Unionisten und Konservativen in England auf Widerstand. Denn mit einem Backstop verliefe die EU-Aussengrenze zwischen Irland und Grossbritannien in der irischen See. Exporte aus England nach Nordirland wären dann nicht mehr so einfach möglich und würde der britischen Wirtschaft schaden.

Brexit-News

Am 23. Juni 2016 stimmten 51,9 Prozent der Briten für den Austritt aus der EU. Seitdem findet ein langwieriger Prozess der Kompromissfindung zwischen britischer Politik und der EU statt. Am 31. Januar 2020 treten die Briten offiziell aus der EU aus. Behalten Sie den Überblick im Brexit-Chaos mit dem Newsticker von Blick.ch.

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