Frauenstreik
Argentinierinnen zettelten ihn an

Der Schweizer Frauenstreik war inspiriert von Argentinierinnen und Spanierinnen. Die Bernerin Itziar Maranon (42) weiss, wie das kam.
Publiziert: 15.06.2019 um 23:58 Uhr
|
Aktualisiert: 17.06.2019 um 11:10 Uhr
1/10
Itziar Marañón in Bern.
Foto: Peter Gerber
Aline Wüst

Der Frauenstreik übertraf alle Erwartungen. Was kaum jemand weiss: ­Angezettelt haben ihn die ­Argentinierinnen! Itziar Ma­rañón (42) weiss, wie das kam.

Die Spanierin lebt in Bern. Sie ist Mitglied des dortigen Streikkollektivs. Marañón ist aber auch Journalistin und hat in Argentinien gearbeitet, wo es eine erstarkte feministische Bewegung gibt. Der Grund ­dafür: die massive Gewalt an Frauen. «Ni una menos» («Nicht eine Einzige weniger») heisst eine ihrer Kampagnen. Tausende Argentinierinnen gehen regelmässig auf die Strasse, fordern ein Ende der Übergriffe, kämpfen gegen milde Gerichtsurteile bei Frauenmorden und Sexualdelikten und für legale Abtreibungen.

Aufruf zum weltweiten Frauenstreik

«Die Argentinierinnen sind so mutig!», sagt Marañón. Mit grosser Beharrlichkeit hätten sie bereits viele ihrer Themen in die Gesellschaft eingebracht, ihre Bewegung sei längst übergeschwappt in andere Länder Süd- und Zentralamerikas. 2017 dann riefen sie zu einem weltweiten Frauen­streik auf. Und Feministinnen in Spanien entschieden: Wir machen das!

Eine starke Frauenbewegung gab es damals auch dort nicht. Aber einzelne Gruppen und drei Faktoren, die sie ­anstiessen.

Zum Ersten das langjährige Engagement diverser Gruppierungen gegen Gewalt an ­Frauen. Marañón: «Wer sich Gedanken dazu macht, stellt sich auch Fragen zur Geschlechterrolle, zu Sexismus und kommt irgendwann zum System.»

Diese Ami-Frauen streiken für die Schweizerinnen
2:24
Frauenstreik in der Schweiz:«Wir helfen den Schweizer Frauen, sich zu wehren»

Fünf Millionen Spanierinnen gingen auf die Strasse

Dann die Wirtschaftskrise 2008: Viele Frauen verloren ihre Stellen, mussten zurück zur unbezahlten Care-Arbeit. Die Arbeitsbedingungen in Jobs, die hauptsächlich ­Frauen ausüben, verschlechterten sich mit der Krise noch. Als dritten Faktor nennt Marañón die MeToo-Bewegung: Sie zeigte deutlich, dass Gewalt an Frauen und Sexismus alltäglich sind – und ein soziales Problem.

«Das alles hat eine Stimmung geschaffen, die dazu führte, dass am 8. März 2019 rund fünf Millionen Spanierinnen im ganzen Land auf die Strasse gingen.» Marañón erzählt von Freundinnen in Bilbao, Feministinnen, die seit Jahren immer wieder in kleinen Gruppen zusammenkamen, um sich für feministische Anliegen starkzu­machen. Viel Zulauf hatten sie nicht.

Am 8. März, dem Tag der Frau, seien sie dann auf der Strasse gestanden und hätten nicht mehr aufhören können zu weinen. Denn «plötzlich standen dort 100'000 andere Frauen mit ihnen», berichtet Marañón, darunter viele junge Frauen. «Die Spanierinnen wollen nicht mehr warten. Sie haben die Nase voll. Vor ­allem von sexuellen Belästigungen.»

Feministischer Streik in Spanien
1:24
5 Millionen Menschen nahmen Teil:Feministischer Streik in Spanien

Kampf für eine gerechtere Welt

Die enorme Mobilisierung in Spanien inspirierte wiederum linke Feministinnen in der Schweiz. Sie begannen, ­Frauen zu mobilisieren. Ebenfalls mit Erfolg – wie sich am Freitag zeigte.

Was die Frauen in Argenti­nien, Spanien und der Schweiz eint: der Kampf für eine gerechtere Welt. Tage wie der Frauenstreik seien dafür enorm wichtig, sagt Marañón. «Wir Frauen brauchen unseren Raum, um uns zu finden, uns gegenseitig zu stärken, weil wir daran glauben müssen, dass wir die Kraft, den Willen und die Ideen haben, diese ­Gesellschaft zu verändern.»

Denn es werde Rückschläge geben, Frauen werden weiterhin Sexismus erleben und, wenn sie sich wehren, lächerlich gemacht: «Ah, die Feministin wieder.»

Aber Marañón weiss es von den Erfahrungen der Spanierinnen und Argentinierinnen: «Alle Frauen, die den Streik miterlebt haben, werden in solchen Situationen denken können: Wir waren Hunderttausende. Wir waren überall. Etwas passiert!»

Externe Inhalte
Möchtest du diesen ergänzenden Inhalt (Tweet, Instagram etc.) sehen? Falls du damit einverstanden bist, dass Cookies gesetzt und dadurch Daten an externe Anbieter übermittelt werden, kannst du alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen lassen.
Tausende fordern Lohngleichheit, Kinderbetreuung und Karriere
--:--
Livestream in voller Länge:Grosse Frauenstreik-Demo in Zürich
Fehler gefunden? Jetzt melden
Was sagst du dazu?