Darum gehts
- Priester hat Ministrantin im Pfarrhaus missbraucht
- Gericht hält Missbrauchsopfer für glaubwürdig
- Priester hat auch noch kirchenrechtliches Verfahren am Hals
Auf dieses Urteil musste eine Ministrantin aus Ruggell FL sechs Jahre lang warten. Das Landgericht Koblenz (D) hat den Priester Thomas Jäger (50) am Montag zu acht Monaten auf Bewährung verurteilt. Das Gericht glaubte dem Mädchen, dass der Priester sie 2019 ins Pfarrhaus von Ruggell gelockt und an der Brust massiert hatte. Der Fall zeigt ein Zusammenspiel aus kirchlichen Fehlentscheidungen und einem Justizversagen in Liechtenstein. Das Drama in fünf Akten:
Thomas Jäger war zunächst Priesteramts-Kandidat des Bistums Limburg (D); nach dem Studium attestierte man ihm fehlende Reife, verweigerte die Weihe und schlug ihm nur ein Praktikum vor. Jäger lehnte dies ab, ging nach Vaduz FL und wurde 2006 vom reaktionären Erzbischof Wolfgang Haas (77) zum Priester geweiht – trotz Warnungen aus Deutschland.
Im Erzbistum Vaduz wurde Jäger Pfarrer von Ruggell und Religionslehrer. Zugleich bewegte er sich im Umfeld traditionalistischer Kreise. Schon Jahre vor dem eigentlichen Missbrauchsvorwurf fielen pädagogische Grenzüberschreitungen auf, etwa das Einschliessen eines Schülers im Klassenzimmer.
Am 24. Oktober 2019 berichtete ein damals achtjähriges Mädchen ihren Eltern, Pfarrer Jäger habe sie unter dem Vorwand eines Ministrantenbüchleins ins Pfarrhaus gelockt und an der Brust massiert. Die Eltern zeigten Jäger noch am Folgetag bei der Polizei an.
Bei der Hausdurchsuchung am 12. November 2019 stellte die Polizei Jägers Handy sicher und fand verdächtige Dateien und Internetlinks zu Pornoseiten. In den Akten steht: «Im Browserverlauf konnten unter anderem pornografische Darstellungen Minderjähriger, pornografische Darstellungen Minderjähriger im Grenzbereich, Nacktbilder von Minderjährigen sowie Posing-Bilder von Minderjährigen gefunden werden.» Die Ermittler warfen Jäger zudem vor, bei einem Pfadfinder-Ausflug Videos gedreht zu haben mit «klarem Fokus auf die kindliche Mädchenbrust». Auch fanden die Ermittler bei Jäger ein Exemplar von Hitlers «Mein Kampf» und eine Liste inländischer Neonazis.
Jäger räumte zunächst ein, kinderpornografische Seiten aufgerufen zu haben, widerrief dies aber später. Zunächst wurde er in Liechtenstein erstinstanzlich wegen Kinderpornografie zu einer Geldstrafe verurteilt, später jedoch wieder freigesprochen – die Polizei hatte beim Sichern des Browserverlaufs Fehler gemacht. Besonders empörend: Wegen Missbrauchs der Ministrantin kam es in Liechtenstein zu keiner Anklage. Eine gemeinsame Recherche von kath.ch und der «Rundschau» von SRF machte dies publik und kritisierte die Liechtensteiner Staatsanwaltschaft. Diese hatte teilweise argumentiert, es könne kein Missbrauch stattgefunden haben, weil die Brust des Mädchens noch nicht entwickelt sei. Später behauptete die Staatsanwaltschaft, das Verfahren sei «ausschliesslich aus Beweisgründen» eingestellt worden. Trotz massiver Vorwürfe wurde Jäger in Liechtenstein nicht rechtskräftig verurteilt.
Die Eltern der Ministrantin wehrten sich mit einem Anwalt gegen die Einstellung des Verfahrens. Weil Jäger deutscher Staatsbürger ist und mittlerweile wieder bei seinen Eltern in Rheinland‑Pfalz lebt, übernahm die Staatsanwaltschaft Koblenz den Fall und erhob 2024 Anklage vor dem Amtsgericht Montabaur (D). Hier wurde Jäger zu acht Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Massage der Brust der Achtjährigen sexuell motiviert war. Gegen das Urteil legten sowohl Jäger als auch die Staatsanwaltschaft Berufung ein, sodass sich das Landgericht Koblenz erneut mit dem Fall befassen musste. Die Staatsanwaltschaft forderte zehn Monate auf Bewährung, die Verteidigung einen Freispruch. Das Landgericht bestätigte am Montag das Urteil der Vorinstanz.
Bis zuletzt beteuerte Jäger seine Unschuld – von Reue war keine Spur. Im Gegenteil: Er beschuldigte den Autor dieser Zeilen, mit seiner investigativen Recherche die Familie der missbrauchten Ministrantin unter Druck gesetzt zu haben. Nach dem Strafverfahren folgt noch ein kirchenrechtliches Verfahren. Der Priester ist suspendiert und dürfte nun auch noch von Rom bestraft werden.