Exorzismus-Boom in Italien
Priester kommen mit der Teufelsaustreibung kaum mehr nach

In Italien steigt die Nachfrage nach Exorzisten wegen der Pandemie stark an. In der Schweiz bleibt die Nachfrage nach Befreiung klein.
Publiziert: 11.12.2021 um 16:20 Uhr
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Seit Beginn der Pandemie boomt das Geschäft mit dem Exorzismus in Italien.
Foto: Blick

Wie «Szenen in einem Horrorfilm» wurde der Vorfall in der Wallfahrtskirche der Madonna von Monte Berico in Vicenza am Sonntag beschrieben. Eine junge Frau (28) soll im Beichtstuhl allen Anschein nach von einem Dämonen befallen worden sein.

Der Priester hat darum einen Exorzisten herbeigerufen, der den Dämon schliesslich acht Stunden lang auszutreiben versuchte. Laut dem Abt der Kirche sei es ein hartnäckiger Dämon gewesen. «Normalerweise flüchtet das Böse nach wenigen Ave-Marias, aber in bestimmten Fällen verbeisst sich der Dämon in die Person und will sie nicht mehr verlassen».

Italien verzeichnet halbe Million Exorzismen pro Jahr

Exorzismen sind keine Besonderheit in Italien: Die internationale Vereinigung der Exorzisten schätzt, dass die Dienstleistungen der «Befreier» rund eine halbe Million Mal pro Jahr in Anspruch genommen werden. Seit Jahren ist die Tendenz steigend; besonders seit Beginn der Pandemie ist die Nachfrage in Italien nochmals sprunghaft angestiegen.

Aufgrund der hohen Nachfrage seien die Exorzisten in Italien komplett überlastet, wie die «Aargauer Zeitung» schreibt. Aus diesem Grund bietet die päpstliche Universität Regina Apostolorum in Rom seit einigen Jahren Lehrgänge für angehende Teufelsaustreiber an. Im vergangenen Oktober hatten sich insgesamt 137 Personen angemeldet – ein neuer Rekord.

Gegenüber der Zeitung erklärt der langjährige italienische Exorzist Dino Battiston: «Die Menschen fühlen sich einsam, verlieren sich, und dann klammern sie sich an materielle Dinge, ans Geld, und sie werden besessen von Neid und Hass: Das ist das erste Anzeichen des Bösen.»

Auch Papst Franziskus argumentiert ähnlich. Laut ihm dringe der Teufel «über den Geldbeutel in unsere Herzen». Der Teufel, oder «Verführer», wie ihn der Papst nennt, sage uns: «Denke dies, mache das. Die Gefahr besteht darin, mit ihm zu diskutieren, wie Eva es getan hatte. Aber wenn wir mit dem Teufel in einen Dialog treten, sind wir verloren. Mit dem Teufel diskutiert man nicht».

Symptome für Besessenheit ändern sich

Pfarrer Rudolf Nussbaumer aus Steinen SZ sagt gegenüber Blick, dass derselbe Trend auch in der Schweiz festzustellen sei: «Ja, es gab einen leichten Anstieg, dies aber bereits in den vorangegangenen Jahren». Er selbst führe lediglich persönliche Befreiungsgebete aus, bei Exorzismen würde er nur assistieren. Oftmals verweise er «besessene» Personen auch an gläubige Psychiater, denn: «Viele Probleme scheinen sich zu durchmischen.» Eine mögliche «Besessenheit und eine geschwächte Psyche» seien ähnlich und würden durch zu wenig Lebenszuversicht, Einsamkeit, Abschottung, die «in dieser Coronazeit gefährliche Ausmasse annimmt», ausgelöst werden.

Hansruedi Huber vom Bistum Basel macht indes andere Beobachtungen: «Die Nachfrage nach Befreiungsdiensten im Bistum Basel hat in den letzten zwei Jahren abgenommen», erklärt er. Jedoch hätten sich die Symptome verändert. «Es melden sich mehr Menschen, die sich wegen Albträumen besessen fühlen.»

Glaube kann man nicht «kaufen»

Huber kritisiert die Einstellung der Gläubigen gegenüber dem Exorzismus, oder Befreiungsdienst, wie man die Praktik heutzutage nennt. «Manche denken, es gebe eine Zauberformel, und danach seien sie das Problem los. Der Glaube ist aber kein Konsumprodukt, das man im Migros kaufen oder rasch downloaden kann». Es sei wichtig, dass man als betroffene Person auch an sich selbst arbeiten würde.

Typische Symptome für eine «Besessenheit» sind laut der katholischen Kirche epileptische Anfälle, Wechsel des Charakters, Tobsucht, ungewöhnliche Kräfte, Aggression gegen das Religiöse und psychische Hellsichtigkeit. Ärzte sehen darin Symptome einer organischen Krankheit oder psychischen Störung, die professionell behandelt werden müssten. (chs)

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