Ewige Faszination Klatsch
Darum liebt der Mensch den Tratsch

Warum interessieren wir uns für das Leben prominenter Menschen? Die deutsche Kommunikationswissenschaftlerin Bettina Hennig (51) weiss wieso und erklärt, warum Klatsch und Tratsch wichtig für unsere Gesellschaft ist.
Publiziert: 28.01.2015 um 00:00 Uhr
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Aktualisiert: 30.09.2018 um 18:10 Uhr
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Milo Moiré (31): Schockiert mit Nackt-Kunst.
Foto: BLICK
Von Attila Albert

Welche Sängerin ist frisch verliebt? Welcher Musiker kämpft mit Schulden – und welcher Politiker hat eine Sex-Affäre? Wir geben es ungern zu, doch das sind die Fragen, die uns jeden Tag interessieren: Ewige Faszination Klatsch.

Die deutsche Kommunikationswissenschaftlerin Bettina Hennig (51) untersuchte in der ersten Dissertation zum Thema, warum uns Tratsch so beschäftigt. Ergebnis: «Er gehört zum Menschsein und erfüllt wichtige gesellschaftliche Funktionen.» Darum sind Klatsch und Tratsch gut für unsere Seele:

  • Wir erkennen uns in Stars wieder: «Die Themen des Klatschs sind universal, berühren uns alle – Liebe, Hochzeit, Scheidung, Geburt, Krankheit und Tod», sagt Hennig. «Jeder kann sich identifizieren, ein Stück weit geht es also immer auch um uns selbst.»
  • Wir können Gesellschaftsthemen anhand des aktuellen Falls besprechen: «Klatsch ist der ideale Start für Anschlussdiskussionen. Wann beginnt Untreue? Darf sie einen jüngeren Partner haben? Darf er Unterhalt einklagen? Beim Tratschen bilden wir unsere Meinung, die später zu einer politischen Entscheidung führen kann, etwa, welche Rechte Frauen haben sollen oder ob Homosexuelle heiraten dürfen.»
  • Wir wollen über andere informiert sein: «Andere Menschen sind für uns das interessanteste Thema», sagt Hennig. «Deshalb wollen wir in diesem Bereich ebensogut informiert sein wie über das Börsengeschehen und die aktuelle Politik – guter Klatsch bietet uns das.»

Wir Schweizer lieben Klatsch wie jedes andere Volk auf der Welt. Die Promi-Beispiele auf dieser Seite basieren auf den häufigsten Suchanfragen auf Google Schweiz.

Die Kommunikationsforscherin Bettina Hennig arbeitete selbstviele Jahre als Klatsch-journalistin, («Gala», «Bild», «Neue Post»). Drei Vorurteile hat sie entkräftet:

Irrtum 1: Klatsch ist Realitätsflucht. «Das würde bedeuten, nur unglückliche Menschen lesen Klatsch, um ihrem Alltag zu entfliehen. In Wahrheit sind Manager und Unternehmer ebenso interessiert daran wie Verkäuferinnen und Coiffeusen.»

Irrtum 2: Klatsch hat keine Relevanz. «In Tat und Wahrheit ist er für uns Leser mindestens so bedeutsam wie Lokalnachrichten, Wirtschaft und Politik.» Wichtig: Guter Klatsch entspricht den Tatsachen, ist aktuell und relevant – wie jede andere Nachricht auch.

Irrtum 3: C-Promis sind nicht der Rede wert. «Ich nenne sie ‹Stars ohne Werk›: all die Models, It-Girls, Reality-TV-Stars. Ihre Frische, Offenheit und ihr Erfolgshunger sind durchaus Inspiration – und sie unterhalten uns in nachrichtenarmen Zeiten.»

Klatsch macht Privates bewusst öffentlich. Hennig: «Beim Adel war das immer schon wichtig. Wenn jemand heiratete oder starb, hatte das politische Folgen. In der bürgerlichen Gesellschaft geht es in gleicher Weise um Leistungsträger, nur aus anderen Bereichen wie Show, Sport, Politik oder Wirtschaft.»

«Klatsch» von Bettina Hennig, Verlag Halem.

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