Reiche Schweiz, schöne Auslagen in Geschäften. Alles blitzsauber und prächtig hergerichtet. Nie würde man auf die Idee kommen, dass in diesem Land Ratten ihr Unwesen treiben – geschweige in Einkaufsläden.
Ratten, die gibt es an unsauberen Orten – in der Dritten Welt, vielleicht in New York oder Paris, aber nicht in der Schweiz. Weit gefehlt. Der Tages-Anzeiger» berichtete unlängst von einem Leser-Video, das zeigt, wie Ratten beim Coop Stadelhofen ihr Unwesen treiben, mitten in Zürich.
Nachts rissen die Nagetiere Eierkartons herunter, bissen eine Mayonnaise-Tube auf und lecken sie leer. Coop reagierte sofort, dichtete mögliche Eintrittsorte für die Ratten ab, stellte Fallen auf und legte Giftköder aus.
Hygiene gewährleistet
Etwas mulmig wirds dem Betrachter schon, in Zürich Bilder zu sehen, die man sonst nur von den Ferien her kennt. Die Nager können schliesslich auch Krankheiten übertragen, darunter Salmonellen und Borreliose. Coop-Sprecher Markus Eugster schliesst in diesem Fall aber eine gesundheitliche Gefährdung aus. Die Hygiene sei zu jedem Zeitpunkt einwandfrei gewährleistet gewesen.
Dass sich die Ratten ausgerechnet die Coop-Filiale beim Stadelhofen ausgesucht haben, hat laut Experten mit dem üppigen Nahrungsangebot in der Nähe zu tun. Der Bahnhof ist stark frequentiert. So gibt es Nahrungsreste in Hülle und Fülle, wie etwa durch weggeworfene Essensreste, für Tauben und Enten bestimmtes Brot oder Essen, das die Toilette hinuntergespült wird – was auch Mäuse anlockt.
Auch Abfallsäcke, die am Vorabend vor das Haus gestellt werden, können ein gefundenes Fressen für die Nager sein. Je mehr Nahrungsangebot und je weniger Eingriffe, desto grösser werden die Nagerpopulationen.
Klimawandel beschleunigt Vermehrung von Ratten
«In Zürich und auch Bern hat es zurzeit extrem viele Ratten und Mäuse, es artet fast aus», sagte Thomas Iseli, Kammerjäger bei der Schädlingsbekämpfungsfirma Insekta am Standort Brüttisellen ZH, gegenüber der Zeitung. «Seit letztem November stellen wir eine Zunahme fest. Wir sind wegen der Nager fast täglich im Einsatz.»
Schweizweit, in allen Städten, beobachte man eine vermehrte Aktivität von Ratten und auch Mäusen. Ein möglicher Grund für die Zunahme sei auch der Klimawandel: «Der milde Winter führt dazu, dass mehr Ratten überleben, besonders alte und kranke Tiere», sagt Kammerjäger Simon Gross von der Firma Desinfecta in Deisswil BE.
Zudem würden sich Ratten bei wärmeren Temperaturen schneller fortpflanzen. Wird nichts unternommen, kann der Rattenbestand explodieren. Und trockene Sommer mit tieferem Grundwasserspiegel führen dazu, dass der natürliche Lebensraum der Tiere grösser wird. Setzt Regen ein, weichen die Nager an die Oberfläche aus.
Digitale Fallen statt Gift
Gerade in Zürich sind ausserdem viele Kanalrohre teils 100 Jahre alt, veraltet und verfault. Ratten und Mäuse gelangen durch kleinste Öffnungen in Häuser. Doch der Einsatz von Giften wird durch die EU stark reglementiert und beschränkt. Auch sind Ratten inzwischen gegen zahlreiche Gifte resistent.
Statt Giftköder setzt man darum neu vielerorts digitale Fallen ein: Boxen mit einem elektronischen Sender. Die Tiere sterben durch Genickbruch. Und bei jedem gefangenen Tier setzt die Box eine Meldung ab, so lässt sich der Bestand der Rattenpopulation in Echtzeit verfolgen. (kes)