Die Direktorin der Bundespolizei über die aufwendige Jagd nach Dschihadisten
«Wir sind in der Terror-Bekämpfung am Anschlag»

Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) plant neue Instrumente gegen verdächtige Extremisten. Auch eine Fussfessel steht laut Direktorin Nicoletta della Valle (55) zur Diskussion.
Publiziert: 09.04.2017 um 09:57 Uhr
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Aktualisiert: 05.10.2018 um 20:59 Uhr
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«Keine Polizei der Welt hat genug Ressourcen», sagt Fedpol-Direktorin Nicoletta della Valle.
Foto: Peter Gerber
Roland Gamp

Das Bundesamt für Polizei (Fedpol) registrierte 2016 mehr Fälle von Geldwäscherei denn je, auch die Meldungen wegen Cyberkriminalität erreichten eine Rekordhöhe. Schliesslich beschäftigten Dschihadisten die Bundespolizisten intensiv. Fedpol-Direktorin Nicoletta della Valle (55) schreibt im neuen Jahresbericht: «Der Rückblick auf das vergangene Jahr ist aus Sicht von Fedpol bedrückend. Es erinnert uns an die dunklen Seiten des Menschen, an die Schattenseiten unserer Welt.»

SonntagsBlick: In Ihrem Jahresbericht zeichnen Sie ein düsteres Bild. Wie sicher fühlen Sie sich?
Nicoletta della Valle: Mein persönliches Empfinden ist nicht relevant. Ich muss meinen Job gut machen, das hat Priorität.

Die Bevölkerung selbst sorgt sich zunehmend wegen Terror.
Diese subjektive Einschätzung ist nachvollziehbar. Viele fragen sich: Was ist eigentlich los in der Welt? Laut der objektiven Einschätzung des Nachrichtendienstes ist die Bedrohungslage tatsächlich erhöht. Aber im Vergleich zum Ausland sind die Zustände in der Schweiz immer noch paradiesisch – so können sich zum Beispiel Bundesräte frei bewegen.

Bei der Terrorbekämpfung gibt es laut Jahresbericht aber auch Lücken. Welche?
Wenn wir davon ausgehen, dass eine Person gefährlich ist, aber gegen sie kein Strafverfahren läuft, brauchen wir neue Instrumente. Wir erarbeiten derzeit eine Rechtsgrundlage für solche polizeilichen Massnahmen ausserhalb des Strafverfahrens.

Woran denken Sie dabei konkret?
Zum Beispiel an eine Meldeauflage. Damit wir Personen verpflichten können, sich regelmässig auf dem Polizeiposten zu melden. Und auch die Möglichkeit, Reisedokumente ausserhalb von Strafverfahren zu sperren. Zur Debatte stehen aber auch Rayonverbote, wie man sie bei Hooligans kennt.

Sind auch Fussfesseln ein Thema?
Das ist auch ein Instrument, welches wir prüfen.

Könnte man Verdächtige in Haft nehmen, auch wenn noch kein Verfahren gegen sie läuft?
In einem Rechtsstaat kann man jemanden nicht einfach wegsperren, nur weil man denkt, er ist gefährlich. Wir prüfen aber, Personen zumindest 24 Stunden in Gewahrsam nehmen zu können. Um sie zum Beispiel vorübergehend an der Ausreise zu hindern, bis andere Massnahmen verfügt sind.

Haben Sie genug Mitarbeiter, um all diese Mittel konsequent umzusetzen?
Keine Polizei der Welt hat genug Ressourcen. Ich habe die Mittel, die mir die Politik zur Verfügung stellt. Wir haben für die Terrorismusbekämpfung 23 zusätzliche Stellen bekommen, aber befristet bis Ende 2018. Trotzdem sind wir in diesem Bereich am Anschlag. Mindestens diese Stellen sollten verlängert werden.

Warum ist die Terrorbekämpfung so aufwendig?
Weil wir jedem Hinweis nachgehen müssen, auch wenn er noch so harmlos wirkt. Wir können es uns nicht erlauben, auch nur eine Meldung, einen Verdacht zu ignorieren. Dies könnte fatal sein.

Viele Hinweise erhalten Sie auch zur Cyberkriminalität. Allein im letzten Jahr gingen über 14 000 Meldungen ein.
Früher war Cyberkriminalität ein Spezialbereich. Heute aber hat sich fast die gesamte Kriminalität in den Cyberbereich verlagert. Praktisch alle Täter nutzen das Internet oder Geräte wie etwa ein Smartphone, wenn sie Delikte begehen.

Wie reagieren Sie auf diese Verlagerung?
Einerseits bauen wir ein Kompetenzzentrum auf, indem wir alle Spezialisten auf diesem Gebiet bündeln. Es macht aber auch keinen Sinn, die Bekämpfung dieser technologisch aufgerüsteten Kriminalität nur den Spezialisten zu überlassen. Deshalb muss nun die Ausbildung aller Polizisten aller Stufen angepackt werden. Jeder von ihnen muss sich mit den neuen Technologien auskennen.

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