Selenskyj besucht Merkel
Ukraine will mehr Druck auf Russland - Merkel nicht

Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel will den Druck auf Russland wegen der Ukraine-Krise zunächst nicht erhöhen. Beim Besuch des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ging sie nicht auf dessen Forderung nach einer Ausweitung der Wirtschaftssanktionen ein.
Publiziert: 18.06.2019 um 17:36 Uhr
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Aktualisiert: 19.06.2019 um 09:21 Uhr
Angela Merkel und der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj am Dienstag in Berlin - beim Empfang Selenskyjs mit militärischen Ehren erlitt Merkel bei der Nationalhymne einen Zitteranfall.

Einig waren sich die beiden am Dienstag in dem Willen, den seit vielen Monaten festgefahrenen Friedensprozess für die zwischen prorussischen Separatisten und Regierungstruppen umkämpfte Ostukraine wieder in Gang zu bringen.

Sorge um Bundeskanzlerin

Beim Empfang Selenskyjs mit militärischen Ehren erlitt Merkel bei der Nationalhymne einen Zitteranfall, erklärte aber bei der Pressekonferenz, dass es ihr wieder gut gehe. «Ich hab inzwischen mindestens drei Gläser Wasser getrunken, das hat offensichtlich gefehlt.»

Selenskyj besuchte Berlin nur einen Monat nach seiner Vereidigung. Schon vor seiner Ankunft in Deutschland forderte er in der «Bild»-Zeitung, den Druck auf Russland wegen der festgefahrenen Situation in der Ostukraine zu erhöhen. Bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel wiederholte er seine Forderung. «Wenn wir sehen, dass dieses Instrument nicht ausreichend ist, dann sollten weitere Instrumente gefunden werden.»

Merkel sagte dagegen, dass es jetzt um eine Verlängerung der bestehenden Strafmassnahmen gehe. «Das ist auch der Weg, den wir jetzt beim Europäischen Rat beschreiten werden», sagte sie.

Krieg in der Ostukraine - Europas blinder Fleck

Im Ukrainekonflikt kämpft die ukrainische Armee gegen Separatisten der Volksrepubliken ­Donezk und Luhansk. Der Konflikt eskalierte ab April 2014, nachdem in der Ukraine die ­russlandtreue Regierung unter Wiktor Janukowitsch durch die Maidan-Revolution vertrieben wurde. Auf sie folgte eine proeuropäische Übergangsregierung. Anfang 2014 begann ein von Russland gelenkter Aufstand, erst auf der Krim, dann im Donbass, dem ­Osten der Ukraine, wo eine Mehrheit russisch spricht. Im September 2014 vermittelte die OSZE einen ersten Waffenstillstand. Er wurde bis heute nie eingehalten. Der Konflikt hat bisher über 13'000 Tote gefordert.

Im Ukrainekonflikt kämpft die ukrainische Armee gegen Separatisten der Volksrepubliken ­Donezk und Luhansk. Der Konflikt eskalierte ab April 2014, nachdem in der Ukraine die ­russlandtreue Regierung unter Wiktor Janukowitsch durch die Maidan-Revolution vertrieben wurde. Auf sie folgte eine proeuropäische Übergangsregierung. Anfang 2014 begann ein von Russland gelenkter Aufstand, erst auf der Krim, dann im Donbass, dem ­Osten der Ukraine, wo eine Mehrheit russisch spricht. Im September 2014 vermittelte die OSZE einen ersten Waffenstillstand. Er wurde bis heute nie eingehalten. Der Konflikt hat bisher über 13'000 Tote gefordert.

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Werden Russland-Sanktionen verlängert?

Die EU hatte 2014 wegen Moskaus Unterstützung für Separatisten in der Ostukraine und der Einverleibung der ukrainischen Halbinsel Krim scharfe Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt. Beim EU-Gipfel in Brüssel am Donnerstag und Freitag sollen die Handels- und Investitionsbeschränkungen zum neunten Mal verlängert werden.

Der sächsische Ministerpräsident Michael Kretschmer hatte vor einer Woche ein Ende der Sanktionen gefordert und damit für Unmut in der eigenen Partei gesorgt. Selenskyj sagte an die Gegner der Sanktionen gerichtet: «Ich hoffe, dass Sie mich hören. Wir haben diesen Krieg nicht angefangen. Aber wir hoffen, dass wir ihn so schnell wie möglich beenden können.»

Seine Regierung wolle nicht, dass die europäischen Partner unter diesen Sanktionen leiden würden, «aber das ist der einzige Weg, ohne Blutvergiessen zu einer Beendigung dieses Konflikts zu kommen».

Wiederaufnahme von Friedensprozess

Merkel und Selenskyj zeigten sich aber einig, dass der Friedensprozess für die Ostukraine nach Monaten des Stillstands wieder in Gang gebracht werden müsse. Deutschland und Frankreich vermitteln seit fünf Jahren weitgehend ergebnislos zwischen Russland und der Ukraine, um das Minsker Friedensabkommen von 2015 umzusetzen. Seit drei Jahren fanden aber keine Gipfeltreffen mehr in diesem Viererformat statt, seit einem Jahr kamen auch die Aussenminister nicht mehr zusammen.

Am 13. Juli soll es nun zumindest Vorbesprechungen der Berater der Staats- und Regierungschefs geben. «Deutschland ist jedenfalls bereit, seine gesamte Kraft hier einzubringen», sagte Merkel.

Nord Stream 2

Im Streit um die deutsch-russische Ostseepipeline Nord Stream 2 gab es keine Annäherung. Selenskyj betonte, dass man dabei «diametral» auseinanderliege. Die Ukraine ist für einen Stopp des Pipeline-Projekts, das auch von den USA und vor allem von osteuropäischen EU-Staaten kritisiert wird, die eine zu grosse Abhängigkeit von Russland im Energiesektor befürchten. Deutschland sieht darin dagegen ein rein wirtschaftliches Projekt, dass die Energieversorgung auf eine breitere Basis stellen soll.

Der frühere Komiker Selenskyj hatte Mitte Mai Petro Poroschenko als Staatsoberhaupt abgelöst. Vor seinem Besuch in Berlin machte er in Paris Station und war in der vergangenen Woche zudem bereits in Brüssel. Im ukrainischen Wahlkampf war Merkel einseitige Parteinahme für Poroschenko vorgeworfen worden, weil sie ihn eine Woche vor der Stichwahl in Berlin empfangen hatte - Selenskyj aber nicht.

Der neue ukrainische Präsident war da am Dienstag aber nicht nachtragend: «Das ist ja ihre Angelegenheit, ich verstehe das so, dass das normal ist. Aber auf höchster Ebene trifft sich Frau Bundeskanzlerin heute mit dem Präsidenten der Ukraine.»

Selenskyi war im TV schon Präsident der Ukraine

In einer der beliebtesten ukrainischen Fernsehserien spielte er bereits den integren Präsidenten, der unbeirrt korrupten Politikern und zwielichtigen Geschäftsleuten die Stirn bietet. Für den Schauspieler und Komiker Wolodymyr Selenskyi wird die Fiktion nun zur Wirklichkeit.

Der 41-Jährige hat die Stichwahl am Sonntag laut ersten Prognosen mit haushohem Vorsprung vor Amtsinhaber Petro Poroschenko gewonnen. Besonders die Ukrainer unter 35 Jahren trauen dem Quereinsteiger zu, das von Krieg im Osten und wirtschaftlicher Misere gebeutelte Land wieder auf Kurs zu bringen und aus dem Sumpf der Korruption zu ziehen.

Selenskyi mimte im TV in «Diener des Volkes» einen Geschichtslehrer, dessen heimlich gefilmte und mit Kraftausdrücken gespickte Tirade über die Zustände in der Ukraine und gegen die korrupte politische Klasse zu einem viralen Hit wird und ihn schliesslich ins Präsidialamt befördert. 

Der Hauptdarsteller entspricht genau der Vorstellung vieler Zuschauer für ihren realen Präsidenten, den sie sich seit der Unabhängigkeit ihres Landes 1991 wünschen. (SDA)

In einer der beliebtesten ukrainischen Fernsehserien spielte er bereits den integren Präsidenten, der unbeirrt korrupten Politikern und zwielichtigen Geschäftsleuten die Stirn bietet. Für den Schauspieler und Komiker Wolodymyr Selenskyi wird die Fiktion nun zur Wirklichkeit.

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