Das meint SonntagsBlick
Gegen Lohndumping hilft nur der Vorschlaghammer

Publiziert: 22.10.2017 um 12:04 Uhr
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Aktualisiert: 12.09.2018 um 01:13 Uhr
Gieri Cavelty: Chefredaktor SonntagsBlick
Foto: Paul Seewer

Wo gehobelt wird, fallen immer auch Späne. Auf den Schweizer Baustellen aber wird der Rechtsstaat in seinen Grundfesten erschüttert.

Ob die Post in Härkingen ein Paketzentrum erstellt, ob sich die Messe Basel einen Neubau gönnt, ob ein Grossverteiler im Aargau ein gigantisches Logistikzentrum hochzieht: Überall werden gravierende Fälle von Lohndumping aufgedeckt.

Jüngstes Beispiel ist das neue Tumor- und Organzentrum des Berner Inselspitals, die grösste Baustelle im Mittelland: Plattenleger aus Osteuropa werden hier mit Hungerlöhnen von 1500 Franken monatlich abgespeist, die Nächte verbringen sie auf dem Campingplatz.

Selbstverständlich zahlt das Berner Inselspital als Bauherr den gesetzlichen Mindestlohn. Den Löwenanteil davon freilich streichen ein lokaler Gewerbler und dessen Subunternehmer aus Italien ein. Zehntausende Steuerfranken dürften damit in die Kassen von Gaunern fliessen.

Es ist ja keineswegs so, dass es auf den Baustellen zu wenige Inspektionen gibt. Die Arbeitsmarktkontrolleure melden täglich Missbrauchsfälle. Bei den kantonalen Behörden und bei den Berufskommissionen der Baubranche fehlt dann aber das Personal, um all diesen Berichten nachzugehen.

Unzählige Fälle von Schwarzarbeit und Lohndumping werden also gar nicht erst verfolgt. Wird einer Meldung doch einmal nachgegangen, setzen die angeschuldigten Firmen ihre Arbeiter unter Druck, bis diese ihre Chefs 
decken. Und selbst wenn ausnahmsweise jemand verurteilt wird: Mehr als eine lächerliche Busse hat er nicht zu befürchten.

2014 sagten die Stimmbürger Ja zur Masseneinwanderungs-Initiative der SVP. Seither sollten sich Wirtschaft und Politik die Hände schwielig arbeiten, um das Vertrauen der Bevölkerung zurückzugewinnen. Sie sollten zeigen, wie ernst sie die Ängste vor einer Verwahrlosung des Arbeitsmarkts nehmen. Noch so eine Volksinitiative, noch so eine Abschottungsdebatte kann sich unser Land nicht leisten.

Was aber haben die Verantwortlichen in den letzten drei Jahren effektiv getan? Hat man von einem umfassenden Aktionsplan unseres Wirtschaftsministers zur Bekämpfung von Lohndumping auf dem Bau gehört? Ja, hat das überhaupt jemand gefordert? Diskutiert man in Bundesbern darüber, dass die Selbstregulierung der Baubranche durch Arbeitgeber und Gewerkschaften im Kampf gegen skrupellose Menschenhändler offensichtlich nichts taugt?

All diese Aktionspläne, Forderungen, Debatten gibt es nicht. Nun dreht die Baubranche etwas an der Schraube. Man plant ein Verzeichnis der sauberen Unternehmen. Bauherren sollen sich informieren können, ob einer Firma zu trauen ist. Weit wird man damit nicht kommen: Im Kampf gegen Kriminelle braucht es keine Schraubenzieher. Es braucht den Vorschlaghammer.

Solange niemand das Problem entschieden genug angeht, fliegen auf den Schweizer Baustellen nicht nur die Späne. Solange stets neue, krasse Fälle von Lohndumping bekannt werden, wird das Vertrauen der Stimmbürger in Rechtsstaat, Politik und Wirtschaft immer weiter ausgehöhlt.

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