Der Prozess beginnt sehr diskret. Dienstagmorgen, 10 Uhr, Flugplatz Pescara (I). Erpressungsopfer Susanne Klatten (48) landet im Privatjet. Dunkelblauer Hosenanzug, dezentes Make-up. Die reichste Frau Deutschlands huscht übers Rollfeld, verschwindet in einem schwarzen Mercedes-Van, flankiert von vier Bodyguards.
Im Gerichtssaal lässt «Lady BMW» die Hüllen fallen
Zwei Stunden lang sagt Klatten aus, wie sie in die Sex-Video-Falle geriet: «Ich lernte Helg Sgarbi im August 2007 kennen. Er war für mich ein Mann von Welt. Ich habe ihm vertraut. Er erzählte mir, dass er in Miami die Tochter eines Mafia-Bosses überfahren habe und nun 7 Millionen Euro Entschädigung zahlen müsse. Ich lieh ihm das Geld. Aber er wollte mehr. Ich sagte nein. Da zeigte er mir die Fotos. Ich nackt, er halb bekleidet in unserem Münchner Hotelzimmer. Er drohte mir, die Bilder meinem Mann und der Presse zu schicken.»
Klatten informierte die Polizei
Klatten aber informierte die Polizei und verabredete sich am 14. Januar 2008 mit dem Schweizer Erpresser auf einem Parkplatz, wo weitere 14 Millionen Euro übergeben werden sollten.
Mit Sgarbi erscheint Ernano Barretta (65). Ein umtriebiger Italiener. Gelernter Schmied, Wunderheiler und selbsternannter «Bote Gottes» mit einem Landgut in den Abruzzen. Sgarbi hatte den Guru in Zürich kennengelernt, wurde dessen hörigster Jünger.
Die Polizei schnappte beide. Barretta kam frei. Doch für Staatsanwalt Gennaro Varone ist klar: Barretta machte die heimlichen Sex-Videos von der nackten Unternehmerin.
Susanne Klatten war nicht das einzige Sexopfer
Varone liess das Handy des Gurus abhören. Im Mai 2008 landete Barretta in U-Haft. Susanne Klatten war nicht das einzige Sexopfer. Eine ganze Reihe schwerreicher Damen wurde erpresst, so auch die Schweizer Comtesse Verena P.* († 85) sowie Klattens Freundinnen Monika S.* und Marie-Luise H.*. Auch sie sagen aus.
Der Staatsanwalt vermutet 40 Millionen Euro Gesamtbeute. Das Geld ist weg. Auch die kompromittierenden Videos und Fotos sind verschwunden.
Sgarbi schweigt bis heute
Helg Sgarbi hat sich geständig gezeigt. Er ist 2009 zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt worden (BLICK berichtete). Zum Verbleib der Millionen und zum verdächtigten Drahtzieher Barretta schweigt der Schweizer bis heute. In Pescara steht jetzt Ernano Barretta vor dem Richter. Mitangeklagt ist sein Clan: Ehefrau Beatrice (62), Tochter Clelia (37), Sohn Marcello (33) und Sgarbis Ehefrau Franziska (42).
Der Sekten-Guru wehrt sich: «Ich habe Susanne Klatten nie kennengelernt. Wie soll ich sie da erpresst haben? Klattens Verdacht hat unser Leben ruiniert.» Ob er tatsächlich glaubt, damit durchzukommen
* Namen der Redaktion bekannt