«Beide stark besoffen und bekifft»
Mann von Vergewaltigung nach Turnfest freigesprochen

Vor vier Jahren gab eine junge Frau an, nach einem Turnfest von einem Mann vergewaltigt worden zu sein. Sie wies nach der Tat Schürfungen sowie DNA-Spuren im Intimbereich auf. Jetzt sprach das Gericht den Angeklagten frei.
Publiziert: 28.02.2022 um 11:19 Uhr
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Das Bezirksgericht Münchwilen musste darüber entscheiden, ob eine Frau an einem Turnfest vor vier Jahren vergewaltigt wurde oder einvernehmlichen Sex hatte.
Foto: Marco Latzer

Vor rund vier Jahren gehörten eine junge Frau sowie ein Mann zu den Tausenden von Besuchern des beliebten Turnfests Tannzapfe-Cup im Kanton Thurgau. Nach dem Turnen wird am Tannzapfe-Cup traditionellerweise bis spät in die Nacht hinein gefeiert. Auch die zwei Betroffenen gehörten in der besagten Nacht zur Partygesellschaft. Gegen drei Uhr morgens verliess die junge Frau dann die Party und lief zu ihrem etwas weiter entfernt parkiertem Auto.

Dabei wurde sie von einem Mann, dem Hauptverdächtigen, verfolgt. Weil sie sich belästigt fühlte, rief sie den Freund ihrer Schwester an. Laut Anklageschrift soll der Mann ihr daraufhin das Handy aus der Hand geschlagen, sie zu Boden geworfen und ihren Kopf auf den Asphalt gedrückt haben. In der Folge soll der spätere Angeklagte die junge Frau auf dem Parkplatz vergewaltigt haben.

Phantombild und Zeugenaussagen

Weil sie Todesangst gehabt habe, wehrte sich die Frau gemäss Protokoll nicht. Weil der Mann nach der Tat Suizidgedanken geäussert habe, redete das vermeintliche Opfer nach der Tat aus Angst noch mit ihm, bevor sie nach Hause fuhr, wie das «St. Galler Tagblatt» berichtet. Dort angekommen, verständigte ihr Vater dann die Polizei.

Diese liess ein Phantombild des Verdächtigten erstellen. Gleich zwei weitere Frauen meldeten sich daraufhin und gaben unabhängig voneinander an, in der besagten Nacht vom selben Mann zwischen den Beinen begrapscht worden zu sein. Auf den Kleidern sowie im Intimbereich der jungen Frau fand die Polizei ausserdem DNA-Spuren des Verdächtigen.

Sie hatte auch Schürfungen auf dem Rücken, der Mann ebenfalls an seinen Knien und Ellbogen. Diese seien von einem Velounfall, behauptete der Angeklagte, ohne Zeugen dafür nennen zu können. Wie seine Verteidiger später erklärten, könnten diese auch bei einvernehmlichem Sex entstanden sein.

Weiter berichtete ein Anwohner, zwei Personen zur Tatzeit und am besagten Ort beim Akt gesehen zu haben. Ihm zufolge wehrte sich das Opfer nicht, stöhnte aber. Nach dem Sex hätten die beiden zudem noch miteinander geredet. Die Opferanwältin erklärte, dass dies nicht im Widerspruch zur Aussage ihrer Mandantin stehe.

Angeklagter erhält Schadensersatz

Die Klägerin hätte laut Anwältin ohnehin keinen Grund für falsche Anschuldigungen, da sie Single gewesen sei und nicht aus einer Kultur stamme, bei der vorehelicher Sex als Schande gelte. Zudem habe sie den Beschuldigten vor der Tat nicht gekannt. Das Bezirksgericht Münchwilen musste nun entscheiden, ob es eine Vergewaltigung oder Sex zwischen zwei Betrunkenen und Bekifften war.

Im Raum stand eine Gefängnisstrafe von fünf Jahren. Nachdem sich das Gericht während mehrerer Stunden beraten hatte, sprach es den Angeklagten in allen Punkten frei. Begründet wurde dies mit zu vielen Widersprüchen und Unstimmigkeiten. Weiter sei das Aussageverhalten der Frau nicht klar gewesen.

Der Beschuldigte wird nun entschädigt. Für die 46-tägige Untersuchungshaft, den damit verbundenen Erwerbsausfall, die öffentliche Verurteilung sowie das veröffentlichte Phantombild erhält er nun 18'700 Franken Schadensersatz. (obf)

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