Babyschüttler-Prozess
Erst nach 4 Tagen gab Erhard Loretan alles zu

Publiziert: 12.02.2003 um 00:00 Uhr
|
Aktualisiert: 07.10.2018 um 11:40 Uhr
Teilen
Anhören
BULLE FR – Extrem-Bergsteiger Erhard Loretan (44) hat sein 7 Monate altes Bübchen Evan auf dem Gewissen. Weil der unerfahrene Vater die Nerven verloren und das weinende Baby geschüttelt hat. Bevor Loretan das eingesteht, tischt er Lügengeschichten auf. Gestern wurde er zu 4 Monaten Gefängnis bedingt verurteilt.

Gebückt und drahtig steht Erhard Loretan vor dem Richter. Mit knorrigen Fingern streicht er sich durchs Haar, wischt eine Träne weg. Die Sätze des Berglers sind einfach und holprig: «Ich wollte Evan nie wehtun. Jetzt ist er tot, weg, für immer!»

Loretan weiss, dass dies allein seine Schuld ist. Doch bis er dies zugibt, lässt er Tage verstreichen. «Ich habe keine Ahnung, was passiert ist», erklärt er bei der ersten Befragung am 24. Dezember 2001. Es ist der Tag, an dem sein Kind im Berner Inselspital stirbt. An den Folgen eines Schütteltraumas.

Drei Tage später behauptet der Bergsteiger: «Ich stürzte mit Evan im Arm die Treppe hinunter.» Eine Schutzbehauptung! Dann endlich – am vierten Tag nach dem Tod seines Söhnchens – gibt Loretan zu: «Das Kind hat den ganzen Nachmittag geweint. Da habe ich es kurz geschüttelt, ohne mir etwas dabei zu denken.» Bei dieser Aussage blieb der Bergsteiger auch gestern.

Die Anklage wittert Ungereimtheiten: «Solch tödliche Verletzungen entstehen nur, wenn das Kind heftig geschüttelt wird», sagt Staatsanwältin Anne Colliard. Sie könne sowieso nicht verstehen, dass ein Mann, der als Bergsteiger den Tod herausfordere, wegen der Tränen eines herzigen Babys die Nerven verliere.

Darauf hat Loretan eine Antwort: Er habe wegen einer Schulterverletzung Schmerzen gehabt und sich zudem Sorgen um seine Partnerin gemacht, die später als erwartet von einer Skitour heimgekehrt sei.

Zur Vaterrolle meint der Mann, der mit Evan sein einziges Kind verloren hat: «Das Baby hat mein Leben radikal verändert.» Und er lässt durchblicken, dass Vatersein für ihn erst dann richtig beginnt, wenn das Kind gehen – und die ersten Berge erklimmen kann.

Teilen
Fehler gefunden? Jetzt melden