Vergangene Woche wurden der türkische TV-Prediger Adnan Oktar (62) und 160 seiner Anhänger in Istanbul festgenommen. Der Sekte werden sexueller Missbrauch von Frauen und Minderjährigen, Entführung, Erpressung und Geldwäsche vorgeworfen.
Zu Oktars Opfern gehört auch M.S., ein heute 15-jähriges Mädchen aus der Schweiz. Als sie von der Verhaftung des Sektenführers erfahren hatte, sei sie ohne Zögern in die Türkei geflogen. Dort wurde sie von der Polizei befragt. So schildern es die «Ostschweiz am Sonntag» und die «Zentralschweiz am Sonntag» unter Berufung auf türkische Medien.
Den Aussagen von M.S. zufolge wollte ihre Mutter sie mit Oktar verheiraten. Als das Mädchen neunjährig war, habe die Mutter Fotos von ihr in aufreizender Kleidung und im Bikini veröffentlicht. Mit zehn sei sie vom Guru zusammen mit ihrer Mutter nach Istanbul eingeladen worden.
Sie war sein «Liebling»
«Ich lebte in einem Haus in Cengelköy (Istanbul) zusammen mit zahlreichen Anhängern von Adnan Oktar. Ich war die Jüngste im Haus. Er nannte mich Liebling. Die anderen Männer durften mich nicht anfassen», gab M.S. in ihrer Befragung zu Protokoll. «Flüstere mir ins Ohr, was durch deinen Kopf geht. Sag mir, dass du mich willst», habe der Anführer gesagt.
Das Mädchen wollte Oktar nicht treffen – doch die Mutter habe sie dazu gezwungen und sie auch geschlagen. «Du musst alles machen, was Adnan Oktar von dir will. Erzähl ihm, dass du keinen Freund hast und dass du keinen Kontakt zu deinem Vater hast. Sitze aufrecht, schlag die Beine übereinander, und presse die Lippen zusammen, wenn du mit ihm redest», habe die Mutter ihr gesagt. Unter anderen Sektenmitgliedern habe sie damit angegeben, dass ihre Tochter den Anführer heiraten werde.
Die beiden kehrten schliesslich in die Schweiz zurück, doch Adnan Oktar holte seinen «Liebling» zu sich in seine Villa im Istanbuler Viertel Kandilli zurück. Dort soll das Mädchen mit «Händen und durch Worte» sexuell missbraucht worden sein.
Der Guru ist impotent
Insgesamt 70 Frauen, die Opfer des Kults waren, sagten nach der Verhaftung aus. Viele von ihnen sprechen ebenfalls von sexuellem Missbrauch und nicht von Vergewaltigung – denn Oktar soll wegen eines nicht behandelten Leistenbruchs impotent sein. Eine Aussteigerin sagte am türkischen TV: «Er interessierte sich sehr für die sexuellen Aktivitäten seiner Anhänger, konnte sich aber wegen seiner Impotenz nur beschränkt daran beteiligen.»
Adnan Oktar wurde als TV-Prediger bekannt, der in seiner Sendung halbnackte Frauen tanzen liess, die er «Kätzchen» nannte. Der Türke hat über 300 Schriften mit antisemitischen, kreationistischen und verschwörungstheoretischen Inhalten veröffentlicht. Ein Buch, wonach die Evolutionstheorie zu Hitlers Faschismus geführt habe, hat er letztes Jahr auch Schweizer Parlamentariern zugeschickt (BLICK berichtete). Seine Sekte baute er in den 90er-Jahren auf.
An der landesweiten Razzia am Mittwoch vor einer Wochen waren 2000 türkische Polizisten beteiligt. Sie beschlagnahmten neben historischen Artefakten, antiken Kunstgegenständen und Autos auch ein ganzes Waffenarsenal. (rey)