Viele Fragen nach dem tödlichen Hausboot-Drama in Jesolo (I) sind noch ungeklärt: War es die starke Strömung? Ein Manövrierfehler? Technische Mängel? Das will Antonio Morisieri aus Venedig (I) herausfinden. Der Marinekapitän wurde am vergangenen Donnerstag von der Staatsanwaltschaft in Jesolo (I) mit dem technischen Gutachten beauftragt.
Offenbar führten einige Faktoren zum tragischen Unglück an jenem Montagnachmittag. Gegen 15.30 Uhr steuert das Hausboot mit einer Zürcher Familie an Bord auf eine geschlossene Zugbrücke zu. Den drohenden Zusammenstoss will Marilyn F.* (†42) mit blossen Händen abfedern. Die zweifache Mutter gerät zwischen Kabinendeck und Brückentrasse und wird vor den Augen der Kinder tödlich verletzt.
«Bugstrahlruder war blockiert und funktionierte nicht»
Ehemann Mario F.* lenkt das Hausboot. Er hätte es anhalten müssen, hätte warten müssen, bis die Brücke sich öffnet. Er habe den Rückwärtsgang eingelegt, sagt er danach. Das sei vergebens gewesen, weil die Strömung zu stark war, beteuert er beim ersten Verhör am 1. Mai (BLICK berichtete). Gegen den Zürcher läuft nun ein Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung. Doch nicht nur gegen ihn.
Denn auch das Hausboot hatte Macken. Das gibt das Mutter-Unternehmen Le Boat in einer Stellungnahme gegenüber BLICK zu. «Als die Kunden das Boot von unseren Partnern der Houseboat Holidays Italia übernommen haben, war es im Rahmen unserer hohen betrieblichen Standards vollständig überprüft und fahrtüchtig.» Doch Meinken-Wiedemann sagt auch: «Die einzige Ausnahme war das Bugstrahlruder, das aufgrund einer Blockierung nicht funktionierte.»
Bugstrahlruder dienen der besseren seitlichen Manövrierfähigkeit. Mit dem Ruder ist auch die Fahrt zur Seite besser möglich. Meinken-Wiedemann: «Das Problem mit dem Bugstrahlruder wurde zu Beginn des Urlaubs mit dem Kunden besprochen, und ihm wurde gezeigt, wie man das Boot sicher nur mit dem Heckstrahlruder (hinten) bedient, das funktionstüchtig war, was der Kunde akzeptierte.»
Gutachter will technischen Mangel prüfen
Das betroffene Bugstrahlruder sei dann am ersten Morgen des Kundenurlaubs, also am 28. April, einen Tag vor dem Unfall, in einer Werft repariert worden, so Sprecherin weiter. Und: «Bug- und Heckstrahlruder sind nicht unbedingt notwendige Ausrüstungsgegenstände. Sie sind nur für kleine Korrekturen bei Manövern gedacht und spielen keine Rolle beim Verlangsamen oder Stoppen eines Bootes, wenn es sich vorwärts oder rückwärts bewegt.»
Meinken-Wiedemann betont: «Es gibt keinen offiziellen Bericht, dass ein technisches Problem mit dem Boot zum Unfall geführt hat.» Das muss nun der Gutachter Antonio Morisieri klären.
Gegen die beiden Geschäftsführer der Houseboat Holiday Italia jedenfalls wird ebenfalls wegen fahrlässiger Tötung ermittelt.