Frankreichs Präsident Emmanuel Macron sind die üblichen Gepflogenheiten und Rituale völlig egal. Schon jetzt ist klar: Am Schluss des G7-Treffens in Biarritz, dem Heimspiel Macrons, wird es für einmal keine gemeinsam ausgearbeitete Schlusserklärung der Staatschefs geben.
Macron hält diese Formalität für Zeitverschwendung. «Seien wir ehrlich, kein Mensch liest diese Communiqués», sagt er, bevor das Treffen im Südwesten Frankreichs überhaupt begonnen hat.
Für Macron ist der G7-Gipfel die ideale Gelegenheit, sich einmal mehr als Leader auf der internationalen Polit-Bühne zu präsentieren. Nachdem die Gelbwesten-Krise das Land im Frühjahr erschüttert hatte, ist es an der Zeit, dass Frankreich wieder als «Grande Nation» von sich reden macht.
Feuerwehrmann statt Macher
Statt des Machers Macron ist nun allerdings der Feuerwehrmann gefragt. «Unser Haus brennt», musste der 41-Jährige am Donnerstag mit Blick auf das verheerende Inferno im Amazonas-Urwald selber feststellen. Prompt legte sich Frankreichs Staatspräsident öffentlich mit seinem brasilianischen Amtskollegen Jair Bolsonaro an (BLICK berichtete). Für das Treffen der G7-Nationen an diesem Wochenende wurden die Waldbrände ebenfalls kurzfristig auf die Agenda gesetzt.
Auch andere Themen versprechen derzeit wenig Aussicht auf einen bahnbrechenden Erfolg für Gastgeber Macron. Der Brexit-Hickhack steuert auch nach einem persönlichen Treffen mit dem neuen britischen Premier Boris Johnson ungebremst auf die nächste Deadline zu.
Und ein Gespräch mit Wladimir Putin, der seit der Krim-Annexion durch Russland 2014 nicht mehr an die Treffen der ehemals acht Staaten eingeladen wird, endete diese Woche mit gröberen Misstönen, weil der Kreml Macrons Aussagen in einer Mitteilung nach den Gesprächen verdreht hatte.
Über 13'000 Polizisten für G7-Gipfel aufgeboten
«Kampf gegen die Ungleichheit» lautet das Motto des Gipfels in diesem Jahr. Neue Regeln für den Kapitalismus sollen gefunden werden, ebenso will man die Gleichstellung der Frau vorantreiben. Und um auch afrikanische Nationen näher an die G7-Gemeinschaft heranzuziehen, erhielten neuerdings auch die Führungsspitzen der Afrikanischen Union eine Einladung nach Biarritz.
Was löblich klingt, wird von vielen Kritikern als reines Lippenbekenntnis abgetan. Die Realität der führenden Industrienationen sehe mit den andauernden Handelskriegen, schleppenden Klima-Reformen und den gespaltenen Positionen im Umgang mit der Flüchtlingskrise ganz anders aus.
Auch darum müssen sich die Staatschefs für das Wochenende an der französischen Atlantikküste wieder mit einem massiven Polizeiaufgebot vor zahlreichen Demonstranten abschotten lassen. Über 13'000 Polizisten sind dazu aufgeboten.
Es gibt wohl nichts zu verkünden
Dass es zum Ende des Gipfels keine Schlusserklärung geben wird, könnte von Macron auch ein gewiefter Schachzug sein. Denn dieses Jahr wird es sehr wahrscheinlich schlicht nichts zu verkünden geben.
Ein Eklat wie vor einem Jahr, als US-Präsident Donald Trump verfrüht abgereist war und seine Unterstützung zur Abschlusserklärung im Nachhinein zurückzog, kann es so schon mal nicht geben. Doch auch so ist Biarritz an diesem Wochenende ein Brennpunkt – und Macron wohl nur mit Löscharbeiten beschäftigt.