ETH-Experte Roland Popp zur US-Militäraktion in Syrien
«Aus militärischer Sicht war Trumps Angriff sinnlos»

Welche Folgen hat der Angriff der USA auf eine syrische Luftwaffenbasis? Laut Nahost-Experte Roland Popp handelte es sich bei der Offensive um eine unüberlegte und vorschnelle Aktion – von der vor allem jemand profitiert: die Terrormiliz IS.
Publiziert: 07.04.2017 um 11:27 Uhr
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Aktualisiert: 04.10.2018 um 20:20 Uhr
Lea Hartmann

BLICK: Herr Popp, als Vergeltung für den Chemiewaffen-Angriff haben die USA heute Nacht einen Luftwaffenstützpunkt der syrischen Regierung bombardiert – eine neue Stufe der Eskalation?
Nun, es ist nicht das erste Mal, dass die USA die syrische Armee angreifen. Gegen Ende von Obamas Amtszeit wurden bei einem Luftschlag im Osten Syriens über 100 syrische Soldaten getötet, die dort gegen den IS kämpften. Es habe sich um ein Versehen gehandelt, sagten die USA später vor dem Uno-Sicherheitsrat. Der Angriff jetzt stellt trotzdem eine erhebliche Eskalation dar – mit möglicherweise gravierenden Konsequenzen.

Nahostexperte Roland Popp von der ETH Zürich.
Foto: ETH Zürich

Welche könnten dies sein?
Das ist stark abhängig von den Reaktionen, die auf den Angriff erfolgen. Zudem gibt es noch zahlreiche offene Fragen: Was genau wurde getroffen? Sind auch Russen unter den Opfern? Und stimmt es, dass Russland vorgewarnt wurde? Wenn man russische Verluste billigend in Kauf genommen hat, wird dies zu einer Zuspitzung des amerikanisch-russischen Verhältnisses führen. Es ist nicht sicher, ob das Treffen zwischen US-Aussenminister Rex Tillerson und dem russischen Präsidenten Wladimir Putin nächste Woche stattfinden wird.

Konsequenzen, die die Trump-Administration in Betracht gezogen hat?
Daran zweifle ich. Ich habe nicht das Gefühl, als hätte die Regierung Trumps alle Folgen durchdacht. Gewissermassen haben sich die schlimmsten Befürchtungen bewahrheitet: Die USA starten impulsiv und überhastet eine militärische Aktion, ohne die strategischen Konsequenzen zu durchdenken.

Noch im Wahlkampf hatte Trump zudem beteuert, dass die USA unter seiner Führung nicht mehr Weltpolizist spielen werden. 
Genau das hat er jetzt jedoch getan. Der Angriff entspricht einer 180-Grad-Kehrtwende der Wahlkampfrhetorik Trumps. Er ist zurückgefallen in eine Politik, die er zuvor immer scharf kritisiert hat. Erstaunlich ist dabei die Reaktion des US-Kongresses: Trump wird abgefeiert – und Kritik daran, dass er ohne Autorisierung des Kongresses handelte, wird kaum laut. Der Kongress setzt sich als Kontrollinstanz damit selbst ausser Kraft – der Präsident entscheidet allein ohne Gegengewicht.

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US-Satelitenaufnahmen zeigen den attackierten Al-Shayrat-Flugplatz.
Foto: EPA

Welche Folgen wird der Angriff auf die weitere Entwicklung des Syrienkriegs haben? 
Mir kommt es so vor, als habe man in gewisser Weise ein grosses Feuerwerk veranstaltet, um die eigene Standfestigkeit und den Status als Supermacht zu demonstrieren. Aus militärischer Sicht war der Angriff allerdings weitgehend sinnlos. Vielmehr ging es um eine symbolische Nachricht. Es handelt sich um eine Art Hollywood in der internationalen Politik: Man hat eine Kulisse aufgebaut, die strategische Weitsicht und weltpolitische Verantwortung demonstrieren soll. Das Resultat ist aber das genaue Gegenteil.

Was meinen Sie damit?
Der Militärschlag war eindeutig völkerrechtswidrig. Es gibt bislang keine öffentlich zugänglichen eindeutigen Beweise, dass Assad hinter dem Giftgas-Angriff steckt. Klar: Ich traue der Regierung Assad viel zu. Aber auch die Rebellen verfügen nach glaubwürdigen Berichten über Giftgas-Vorräte. Zudem macht es im Grunde keinen Sinn, dass Assad genau im Moment, wo die USA sich mit seiner Macht abzufinden scheinen, einen solchen Angriff startet. Gerade aus völkerrechtlicher Sichtwünschte ich mir, man hätte eine unabhängige Untersuchung abgewartet, um sich auch sicher zu sein, dass die syrische Regierung die Verantwortung trägt.

Was ist mit der Terrormiliz IS? Profitiert sie davon, dass ihre Gegner nun mit sich selbst beschäftigt sind?
Ja. Wenn eine Partei davon profitiert, dann der IS. Der jetzt angegriffene Luftwaffenstützpunkt ist genau der, der vor allem dazu benutzt wird, den IS zu bekämpfen. Die Terrormiliz hat schon eine Offensive gestartet, um die Schwäche zu nutzen. Man fragt sich, ob diese Überlegung überhaupt in die Beurteilung der USA einflossen.

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