Das Super-Protein der Bärtierchen
Wie uns diese Mini-Wesen vor Strahlung schützen können

Bärtierchen haben ein spezielles Eiweiss, das sie vor extremer Hitze, Kälte und Strahlung schützt. Japanische Forscher haben durch Zufall herausgefunden, dass das Protein auch menschliche Zellen vorm Zerfall bewahren kann.
Publiziert: 27.09.2016 um 19:50 Uhr
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Aktualisiert: 28.09.2018 um 22:00 Uhr
Das mikroskopisch kleine Bärtierchen könnte Menschen vor Krebs schützen.
Foto: OKAPIA

Sie sind winzig klein und zäher als jedes andere Lebewesen: die Bärtierchen. Die weniger als einen Millimeter grossen Überlebenskünstler tummeln sich in Gewässern weltweit, fühlen sich in tropischen Flüssen ebenso wohl wie in den Höhen des Himalaya, 6000 Meter über Meer, oder in den eisigen Weiten der Arktis.

Dabei trotzen die Tiere, die optisch an eine Kreuzung aus Raupe und Nacktmull erinnern, den widrigsten Bedingungen. Sie halten sowohl extreme Temperaturen – von –270 bis 100 Grad – als auch extrem hohen Druck und das Hochvakuum des Weltraums aus. Einige Spezies sind sogar in der Lage, fast ohne Wasser zu überleben.

Selbst in der Antarktis können Bärtierchen locker überleben.
Foto: K. Leonard

Japanische Forscher von der University of Tokyo wollten wissen, woher diese faszinierenden Lebewesen ihre Superkräfte beziehen – und sind dabei auf ein bisher unbekanntes Eiweiss gestossen, das die Humanmedizin revolutionieren könnte.

Zerfall von Zellen aufgehalten

Für ihre Studie, die kürzlich im Fachjournal «Nature Communications» veröffentlicht wurde, untersuchte ein Team um den Molekularbiologen Takekazu Kunieda das Erbgut einer der widerstandsfähigsten Bärtierchen-Spezies: Ramazzottius varieornatus. Es stellte sich heraus, dass ein einzigartiges Protein namens Dsup die DNA der Tiere vor schädlichen Umwelteinflüssen schützt. 

Die Forscher manipulierten menschliche Zellen dahingehend, das Dsup-Protein zu produzieren und setzten sie starker Röntgenstrahlung aus. Es stellte sich heraus, dass das Bärtierchen-Eiweiss die menschliche DNA vor dem Zerfall schützt und den Schaden durch die Strahlung um 40 Prozent reduziert.

Riesen-Potenzial

Für die Medizin eine Erkenntnis mit enormem Potenzial. Denn der Zerfall von Zellen ist eine der Hauptursachen für den Alterungsprozess - und für Krebserkrankungen. Das Ergebnis der Studie sei «hochinteressant», zitiert das Fachmagazin «Nature» den schwedischen Evolutionsökologen und Bärtierchen-Spezialisten Ingemar Jönsson von der Universität von Kristianstad online. 

Krebspatienten könnten von dem neu entdeckten Protein profitieren
Foto: KEY

Das neue Protein könnte dazu beitragen, die Widerstandsfähigkeit menschlicher Zellen erheblich zu steigern. Davon könnten vor allem Patienten profitieren, die sich einer Strahlentherapie unterziehen müssen.

Auch Takekazu Kunieda, leitender Autor der Studie, jubelt über das Ergebnis und fügt hinzu, dass das Protein auch Arbeiter in Kernkraftwerken vor Strahlung schützen könnte. Ausserdem könnte das Bärtierchen-Eiweiss der Menschheit ermöglichen, auch in extremen Umgebungen wie auf dem Mars Getreide anzubauen. (wen)

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